65. Amsterdam und Umgebung.
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ernsten Baue, muß der König von Holland, dessen Residenz Haag ist, alljähr-
lich 8 Tage Wohnung nehmen. Die Gemächer und Säle darin hat man aufs
prächtigste verziert und weder Gold noch Marmor, weder Samt noch Seide
dabei gespart. Der Schloßturin gewährt einen überrascheud fchönen
Blick auf die Stadt, sowie auf Laud und Wasser in ihrer Umgebung. Die
erstere erscheint als mächtiges Häusermeer, vou nicht wenigeren Kanälen als
Straßen durchzogen. Westlich sieht man bis Harlem, südlich bis Utrecht; im
Norden erblickt man die Docks und den Mastenwald des A mit dem Znidersee.
Große und kleine Kauäl e (Grachten) verlaufen durch die Stadt und zer-
schneiden sie in 90 Inseln. Leider fehlt es diesen zahlreichen Wasserstraßen
an der nötigen Bewegung ihres Wassers, sodaß sie nicht genügend rein ge-
halten werden können und im Sommer oft die Luft verpesten. An der Heeren-
nnd Keizersgracht, welche mit Ulmen und Linden besetzt sind, sieht man die
schönsten Privatgebäude Amsterdams, iu welchen die Geldlente und Groß-
Handelsherren der Stadt Wohnung genommen haben. So freundlich die langen
Straßen auch aussehen, so unterscheiden sie sich doch wenig voneinander,
weshalb uus die Lust vergeht, eine oder die andre ihrer ganzen Länge nach
zu durchwandern. Die Häuser von Amsterdam, selbst die neuen, haben ein
mittelalterliches Aussehen und kehren ihre schmalen, hohen Giebelseiten der
Straße zu. Aus den Straßen herrscht das regste Leben, oft betäubender Lärm.
Unzählige Ausrufer, Milch- und Gemüseweiber, Trödler, Lastträger, Musikanten
drängen sich durcheinander, und von den zahlreichen Türmen herab tönen die
Glockenspiele.
Da die obere Schicht des Bodens von Amsterdam lediglich aus Moor
und Schlamm besteht und sich erst in einer Tiefe von 16 m fester Sandboden
findet, so muß man erst gewaltige Pfähle in den Baugrund eintreiben, um
für die zu errichteudeu Häuser eiue feste Grundlage zu schasfeu. Das „Paleis"
steht aus ziemlich 14 000 solcher Pfähle. Wegen dieser Beschaffenheit des
Bodens leidet die Stadt noch an einem anderen Übelstande: es fehlt ihr gänz-
lich an Qnellwaffer, weshalb man in Cisternen Regenwasser sammelt.
Doch hat man in den Dünen, 15 km von der Stadt entfernt, einen großen
Sammelbehalter angelegt, welcher durch unterirdische Röhren Amsterdam mit
Wasser speist. Immerhin muß bei sehr großer Trockenheit das Wasser auf
Kähnen von Utrecht herbeigeführt werden.
Der Kunstfreund wird gern ein paar Stunden im Reichsmuseum,
welches Meisterwerke niederländischer Maler enthält, verbringen. Hier sieht
man Rembrandts berühmte „Nachtruude", welche den Auszug einer Schützen-
tompagnie darstellt. Von demselben Meister besitzt das Reichslstufeum ein
zweites großes Gemälde, die „Vorsteher der Tuchmacherzunft von Amster-
dam". Aber auch audere holländische Meister mit ihren Landschaften,