390
J. Auf der skandinavischen Halbinsel.
Herz der unwegsamsten Regionen Norwegens; er ist die große Hauptstraße für
alle angrenzenden Thäler, und mehr als die Hochebenen der Halbinsel und
die sie durchschneidenden Thäler des Binnenlandes sind die Küsteu, Buchten
uud Vorgebirge der Fjorde und die Schären an ihren Eingängen der Schauplatz
der großen Ereignisse namentlich in der älteren Geschichte Norwegens. Die
geschützteren Lagen im Inneren dieser Meeresarme mußten frühzeitig zu fester
Besiedeluug anlocken. Aus ihnen gingen aber auch die Wikingerzüge der
Vorzeit hervor. Von dort kamen die Raubschiffe der gefürchteten Normannen
nach Friesland und England, Irland und Schottland, nach den Küsten Frank-
reichs, Spaniens und Italiens, und an den gesicherten Küstenstellen der Fjorde
tagten auch in alter Zeit die „Thinge", die Obergerichte der norwegischen Gau-
Genossenschaften.
Im Vergleiche mit den anderen größeren Fjorden Norwegens, dem Sta-
vanger- uud Hardaugerfjorde mit ihren eigentümlich umgebogenen Querarmen,
oder dem Molde- uud Droutheimfjorde, die polypenartig, wie uugeheure Krabben,
ins Land eingreifen, hat der Sognefjord eine einfachere und regelmäßigere
Bildung. Die Läuge feines Hauptarmes aber übertrifft die aller anderen.
Über 200 km, also in einer Erstrecknng wie etwa von München bis Heidel-
berg, oder von Berlin bis an Rügens Nordküste, schneidet der Sognefjord bei
einer durchschnittlichen Breite von 15 bis 30 km in die Felsmassen des west-
lichen Norwegens ein. Ja wollte man die verschiedenen Krümmungen des viel-
verzweigten Fjords mit einrechnen, so würde sich eine Länge von mehr als
600 km ergeben. Denn nach Norden und Süden greifen seine Arme tief
zwischen die Berge hinein, uud einer der sechs Seitenfjorde kann sich in seiner
Längenausdehnung von 180 km wohl mit dem Hanptsjorde messen. Während
man die ganze Länge des Bodensees von Bregenz bis Konstanz mit dem
Dampfer in 3 ^ Stunden, die ganze Thalfahrt von Mainz bis Köln in sieben
Stunden zurücklegt, braucht eiu Dampfer vom Eingange in den eigentlichen
Fjord, von Soguefest im Westen, bis nach Lärdalsören im Osten 33 Stunden
und ist dabei nicht in alle großen Nebenarme eingelaufen. Der Läugenausdehnuug
entspricht auch die Tiefe des Wassers. An mehreren Punkten übersteigt sie
1000 m, ja an einer Stelle findet das Senkblei erst bei 1300 m Grund, und
in dem oberen Ende des Fjords zeigt die See noch immer eine Tiefe von 250 m.
Wo in der Mitte des Sognesjords der große Seitenarm des Fjärland-
sjords nordwärts biegt, ist angeblich der Schauplatz der Frilhjofsfage. Dort,
glaubt man, war das kleine Reich des Königs Bele gelegen. Auf dem steilen
Felsvorsprunge, der noch den Namen der Baldershöhe trägt, stand der Sage
nach der Tempel, welchen Frithjos in Asche legte; gegenüber lag Framnäs,
die Wohnung Frithjofs. Gerade diese Küstengegend des Sogne ist jetzt eine
der gesegnetsten. Gehöft reiht sich an Gehöft, Fruchtgarten an Fruchtgarten
