Und die Stimme, die rufende, schicket,
Da stößt kein Nachen vom sichern Strand,
Der ihn setze an das gewünschte Land;
Kein Schiffer lenket die Fähre,
Und der wilde Strom wird zum Meere.
8. Da sinkt er ans Ufer und weint
und fleht,
Die Hände zum Zeus erhoben:
„O hemme des Stromes Toben!
Es eilen die Stunden, im Mittag steht
Die Sonne, und wenn sie niedergeht
Und ich kann die Stadt nicht erreichen,
So muß der Freund mir erbleichen."
9. Doch wachsend erneut sich des
Stromes Wuth,
Und Welle auf Welle zerrinnet,
Und Stunde an Stunde entrinnet;
Da treibt ihn die Angst, da faßt 'er
sich Muth
Und wirft sich hinein in die brausende
Flut,
Und theilt mit gewaltigen Armen
Den Strom, und ein Gott hat Er¬
barmen —
10. Und gewinnt das Ufer und eilet
fort
Und danket dem rettenden Gotte;
Da stürzet die raubende Rotte
Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort,
Den Pfad ihm sperrend, und schnaubet
Mord
Und hemmt des Wand eres Eile
Mit drohend geschwungener Keule.
11. „Was wollt ihr?" ruft er, vor
Schrecken bleich,
„Ich habe nichts, als mein Lebe»,
Das muß ich dem Könige geben!"
Und entreißt die Keule dem nächsten
gleich:
„Um des Freundes willen erbarmet euch!"
Und drei mit gewaltigen Streichen
Erlegt er; die andern entweichen.
12. Und die Sonne versendet glü¬
henden Brand,
Und von der unendlichen Mühe
Ermattet, sinken die Kniee:
„O hast du mich gnädig aus Räubers¬
hand,
Aus dem Strom mich gerettet ans hei¬
lige Land,
Und soll hier verschmachtend verderben,
Und der Freund mir, der liebende,
sterben!"
13. Und horch, da sprudelt es silberhell
Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen,
Und stille hält er zu lauschen;
Und sieh, aus dem Felsen geschwätzig,
schnell
Springt murmelnd hervor ein lebendiger
Quell,
Und freudig bückt er sich nieder
Und erfrischet die brennenden Glieder.
14. Und die Sonne blickt durch der
Zweige Grün
Und malt auf den glänzenden Matten
Der Bäume gigantische Schatten;
Und zwei Wanderer sieht er die Straße
zieh»,
Will eilenden Laufes vorüber flieh»;
Da hört er die Worte sie sagen:
„Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen."
15. Und die Angst beflügelt den eilen¬
den Fuß,
Ihn jagen der Sorgen Qualen;
Da schimmern in Abendroths Strahlen
Von ferne die Zinnen von Syrakus,
Und entgegen kommt ihm Philostratus,
Des Hauses redlicher Hüter;
Der erkennet entsetzt den Gebieter.
16. „Zurück! du rettest den Freund
nicht mehr,
So rette das eigene Leben!
Den Tod erleidet er eben,
Von Stunde zu Stunde gewartet' er
Mit hoffender Seele der Wiederkehr;
Ihm konnte den muthigen Glauben
Der Hohn des Tyrannen nicht rauben."
17. „„Und ist es zu spät, und kann
ich ihm nicht
Ein Retter willkommen erscheinen,
So soll mich der Tod ihm vereinen!
Deß rühme der blut'ge Tyrann sich nicht,
I Daß der Freund dem Freunde gebrochen
die Pflicht;
Er schlachte der Opfer zweie
Unb glaube an Liebe und Treue!""