Full text: Bilder aus der Götter- und Heldensage der Griechen, Römer und Deutschen (Teil 1 = Sexta)

— 102 — 
daß Ludwig sich hatte bereden lassen, das Kreuz zu nehmen und 
den Kaiser auf seinem Zuge nach dem heiligen Lande zu begleiten. 
Elisabeth war aufs tiefste betrübt, aber der fromme Zweck des Zuges 
versöhnte sie mit der schweren Trennung, die er ihr auferlegte. 
Vor dem Aufbruch verabschiedete sich der Landgraf persönlich von 
den Großen des Landes und durchzog noch einmal alle Teile seines 
Gebiets; überall äußerte sich ergreifend der tiefe Schmerz, den man 
über seinen Wegzug empfand. Am schwersten ward ihm der Ab- 
schied von Weib und Kind. Elisabeth begleitete ihn noch einige 
Tagereisen bis zur Landesgrenze. Hier schieden beide mit der stillen, 
schmerzlichen Überzeugung, daß sie sich auf Erden nicht wieder- 
sehen würden. 
Und diese Befürchtung behielt recht. In Süditalien ward 
Ludwig vom Fieber ergriffen, ging aber trotzdem zu Schiffe. Doch 
ward die Krankheit immer schlimmer, so daß das Schiff wendete 
und einen Hafen Italiens anlief. Als es das Ufer erreichte, war 
der Landgraf schon der Krankheit erlegen; seine Leiche trug man 
an Land und bestattete sie vorläufig im Dome der Stadt, später 
ward sie nach Thüringen übergeführt und in Reinhardsbrnnn 
beigesetzt. 
So ward Elisabeth mit 21 Jahren Witwe. Alle Freude und 
Ehre der Welt war für sie erloschen; von nun an hatte sie nur noch 
Sinn für fromme Übungen und gute Werke; die Herrschaftssorgen 
überließ sie anderen; selbst ihren Kindern sich zu widmen, hatte 
sie nur wenig Zeit und Neigung. So traten bald schlimme Zustände 
ein; Ehrgeizige drängten sich vor; die Großen des Landes und die 
Städte fielen von der Landgräfin ab; einmal kam es so weit, daß 
sie mit ihren Kindern die Wartburg räumen und in den Straßen 
Eisenachs, um ein Obdach bittend, umherziehen mußte. Später 
lebte sie iu M ar b u r g als Nonne; die harten Entbehrungen und 
Qualen, denen sie sich freiwillig unterwarf, führten schon nach 
kurzer Zeit zu ihrem Tode. Bald darauf wurde sie vom Papste 
heilig gesprochen. 
Das Geschlecht der thüringischen Landgrafen erlosch mit ihrem 
Sohne. Seine Erben wurden die Markgrafen von Meißen aus dem 
Hause W e t t i n.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.