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4) Die leges Liciniae. 
§ 130. Der gallische Brand brachte 1) Roms Macht nach 
außen nur für den Augenblick zurück, weil durch die Züge der 
Gallier auch die übrigen Völker Italiens geschwächt wurden. 
2) die Verluste schwächten die Patricier, und regten zugleich 
durch die Not, welche sie herbeiführten, die Plebejer zu kräfti¬ 
gerem und siegreicherem Gegenstreben an. [Da durch ihn eine 
große Menge der historischen Denkmäler Roms vernichtet ward, 
beginnt die Ueberlieferung erst von ihm an sicherer und vollstän¬ 
diger zu werden.] 
Der Vorschlag der Plebejer, nach Veji zu ziehn, ward durch 
Camillus glücklich beseitigt; durch denselben gewann Rom wieder 
Siege über die Nachbarn, in Folge deren — 387 das ganze süd¬ 
liche Etrurien unter römische Herschaft fiel. Der Versuch des 
M. Manlius Capitolinus, sich durch Unterstützung der ge¬ 
drückten Plebejer überwiegenden Einfluß zu gewinnen, wurde 
durch seine Verurteilung und Hinrichtung 384 unterdrückt; allein 
376 beantragten die Tribunen G. Licinius Stolo und L. Sex- 
tius: l) es sollten fortan nicht mehr Consulartribunen, sonder nur 
Consuln und einer stets aus den Plebejern gewählt werden; 2) von 
dem ager publicus — der also nun auch den Plebejern zugänglich 
wurde — sollte kein Bürger mehr als 500 jugera occupieren und 
keiner mehr als 100 Stück großes und 500 Stück kleines Vieh 
darauf weiden laßen dürfen. 3) Tilgung der Schulden durch Er¬ 
leichterung der Zahlung (tabulae novae). 4) Verpflichtung für 
jeden Gutsbesitzer eine Anzahl freier Arbeiter neben den Sklaven 
zu beschäftigen. Bei fortgesetztem Widerstand fügten sie 369 hin¬ 
zu, daß die sibyllinischen Bücher zehn Männern, und zwar zur 
Hälfte Plebejern anvertraut werden sollten. Nicht ohne Gewalt 
(nach sichern Nachrichten) giengen endlich die Vorschläge durch 
und 366 ward L. Sextius der erste plebeische Consul. 
Die leges Liciniae bewirkten, wenn schon sie nicht alle Un¬ 
terschiede zwischen den beiden Ständen hinwegräumten , doch die 
Ausgleichung in den wesentlichsten Dingen und bahnten die voll¬ 
ständige an. Dadurch hörte l) die innere Zwietracht auf, entstand 
2) nach Wegfall der Geburtsvorrechte in beiden Ständen das Stre¬ 
ben nach Auszeichnung als dem einzigen Mittel emporzukommen; 
3) bildete sich bei allen Bürgern das gleiche lebendige Interesse 
für die Macht und Ehre des Staats. Die socialen Misstände wur¬ 
den zwar nicht gründlich gehoben, aber durch die nun rasch er¬ 
folgenden Eroberungen und dadurch notwendig werdenden Kolo¬ 
niestiftungen gemildert und bei der berschenden Einfachheit 
der Sitten der erbitternden Wirkungen beraubt. Die Regierungs¬ 
gewalt ruht fortan in Wahrheit in den Händen des Senats, dessen 
fester und weiser Leitung Rom seine Größe verdankt. 
Die Patricier behielten sich zwei neue Magistrate vor: l) die 
praetura zur Leitung des Rechts- und Gerichtswesens, dessen
	        
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