fullscreen: Prosalesebuch für Untertertia der Vollanstalten oder Klasse III der Realschulen (Teil 4, [Schülerband])

„Wohnt Ihr hier oben, Meister Uhrmacher?" fragte die Hann- 
abeln. 
Der Kleine nickte und lachte: „Ist eine Kellerwohnung und 
hat doch Aussicht wie der höchste Turm; Ihr müßt wissen, daß wir 
hier aus der Spitze unsres Berges sind. Damit Ihr Euch nun 5 
selbst überzeugt, daß es auch bei mir richtig und sauber zugeht, will 
ich Euch einmal die ganze Wohnung zeigen." 
Das war der Hannabeln recht; nachdem sie die Kartoffeln mit 
Salz gegessen halten, warf der Alte ein wenig Erde über das Feuer, 
und sie gingen nach dem Felsen. 10 
Die Hannabeln mutzte sich freilich bücken, als sie durch die Türe 
schritt; dann aber kam sie in ein Gewölbe, das wohl das Zimmer 
eines netten Bauernhauses hätte vorstellen können, nur datz von 
der Decke ein kleines Lämpchen hing mit glitzerndem Schein. 
Der Uhrmacher zeigte ihr einen schönen Holzschrank mit einge-15 
lassenen Bildern; das waren lauter Könige, aber alle sehr klein, 
und wurde einem ganz schwindlig vor all den Königen. 
„Das ist ein Geschenk aus dem Kyffhäuser," sagte der Kleine, 
lietz die Frau aber nicht weiter fragen, sondern zeigte ihr noch man¬ 
cherlei merkwürdige Dinge aus den Bergwerken und Hütten, aus den so 
Höhlen und von den Burgen und Ruinen des Thüringer Waldes. 
Bisweilen waren es freilich nur Steinchen und Holzstückchen, aber 
weil der Alte so wichtig damit tat, meinte die Frau, es müsse etwas 
daran sein, auch wenn sie's nicht verstünde. 
Indessen war sie schon lange neugierig geworden auf eine Tür, 25 
die mit eisernen Stangen verrammelt war und autzerdem noch mit 
einem Vorlegeschlotz versehen, das so grotz war wie eine ansehnliche Reise¬ 
tasche. — Hier, meinte die Frau, müsse doch das Allerbeste ver¬ 
borgen sein. Jedesmal aber, wenn sie sich der Tür näherte, hörte 
sie dahinter ein seltsames Surren und Brausen, was sie heftig er- so 
schreckte. 
Als nun der Kleine alle seine Schätze gezeigt hatte und sich 
der Ausgangstüre wieder zuwandte, fatzte die Hannabeln sich ein 
Herz und fragte: „Was habt Ihr denn hier noch verschlossen?" 
„Das ist die Uhr," erwiderte der Alte und runzelte die Stirne; 35 
aber die Frau, obgleich sie es wohl bemerkte, hätte doch gar zu gern 
die Uhr gesehen. Sie meinte auch, es könne ihr das Besehen ja 
nichts schaden, und sagte zuredend: „Ihr solltet mir die Tür ein¬ 
mal aufschlietzen, — hab' ich Euch doch auch nichts verborgen, was 
in meinem Häuschen war." ^0
	        
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