166 Die Zeit vom 2. Pariser Frieden bis zum Regierungsantritt Wilhelms I. § 100.
empfindlicher als die Nichtachtung der Rechte der Herzogtümer durch
Dänemark und die versuchte Unterdrückung ihrer deutschen Bevölkerung.
§ 100. Die Frankfurter Nationalversammlung. Im Frühjahr 1848
traten in Heidelberg Mitglieder verschiedener deutscher Körperschaften
zur Beratung über die nächsten zur Schaffung der deutschen Einheit
notwendigen Schritte zusammen. Aber gleich die ersten Besprechungen
ließen die bestehenden Gegensätze erkennen. Sahen die einen, an ihrer
Spitze Heinrich von Gagern, in der Herstellung des Deutschen
Kaisertums das Ideal der künftigen Verfassung, so fanden es Hecker
und seine Parteifreunde in der Deutschen Republik. Die Versamm-
luug berief ein „Vorparlament".
Die Beratungen des Frankfurter Vorparlaments, das mit
Genehmigung des Bundestages tagte und Preußen zum Schutze Schles-
wigs aufrief, verliefen ganz ergebnislos.
Unmittelbar darauf versuchten Hecker, der Dichter Herwegh n. a. die
Republik durch einen Aufstand in Baden zu verwirklichen, aber ihr
Putsch wurde im Laufe weniger Tage überwältigt. Bei den Wahlen zum
Frankfurter Parlament blieben die Demokraten in starker Minderheit.
Am 18. Mai trat die Versammlung iu Frankfurt zusammen; sie
hielt ihre Sitzungen in der Paulskirche ab. Es gehörten dem Parla-
mente viele geistig hervorragende Männer an, Jakob Grimm, Dahlmann,
Gervinns, Arndt, Uhland, Heinrich von Gagern, Wilhelm Jordan n. ct.,
aber nur wenige, die im politischen Leben Erfahrung hatten. Den Vor-
sitz führte erst Heinrich von Gagern, später Simson.
Der Lösung der Aufgabe, die das Frankfurter Parlament vorfand,
dem deutschen Volke eine neue Verfassung zu geben, stellten sich von
vornherein die größten Schwierigkeiten entgegen. Da die Herstellung
einer Republik bei der geringen Anzahl ihrer Freunde in der Paulskirche
von vornherein ausgeschloffen war, schienen nur noch zwei Wege zur
deutschen Einheit zu führen. Entweder man bildete einen engeren
Bund mit Preußen an der Spitze unter Ausschluß Österreichs — dies
war das Ziel der kleindeutschen oder Erbkaiserpartei, da sie das Ober-
Haupt als erblich dachte —, oder man verwirklichte den Plan der groß-
deutschen Partei, wonach beide Großmächte beim Bunde blieben.
Da ersichtlich war, daß dieser zweite Weg nicht zu einer von der
Wiener Bundesakte des Jahres 1815 wesentlich verschiedenen Verfassung
führen und deshalb die nationale Einheit auch nicht verwirklichen werde,
so war die kleindeutsche Partei die Trägerin der nationalen Hoffnungen.
Aber ihr Gedanke stieß auf viele Gegner, zu denen vor allen, von Öfter-
reich ganz abgesehen, die süddeutsche Bevölkerung gehörte, und nicht ein-
mal den König von Preußen selbst durfte man zu ihren Freunden zählen.
Getreu dem Grundsatze der Volksherrlichkeit, auf dem sie beruhte,
ging die Versammlung an die Arbeit, ohne auf die deutschen Fürsten
irgendwelche Rücksicht zunehmen. Sie schuf einen vorläufigen Ver-
waltuugsmittelpuukt in Frankfurt und wählte den 66 jährigen Erzherzog