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Die Israeliten.
Herstellung begann, nahm sie die Kräfte der den Zerstörern verwandten
Fremdlinge dafür auf schonungslose Weise in Anspruch. Hatten diese
bisher im Lande Gosen ein dem früheren nomadischen Leben ähnliches
Leben geführt, so wurden sie jetzt, zumal da man sie auch zur Bestellung
der Felder benutzte, zur Theilnahme an Arbeiten genöthigt, auf welchen
das Gebäude der ägyptischen Cultur ruhte. Doch neben diesen Mitteln
höherer Ausbildung fand sich auch die Gefahr der Entartung. Die
ägyptische Religion, von einer an Ansehen und Einfluß reichen Priester¬
schaft gepflegt, in ihrer Ausübung von den Reizen eines reichen
natürlichen Lebens umgeben, konnte der Strenge Eintrag thun, mit
welcher der Unterschied der israelitischen und der ägyptischen Religion
im Auge behalten werden mußte. Die Gefahr einer Vermischung der
scheidenden Grenzen war um so größer, als auch bei der Vielgötterei
die Ahnung einer über den Göttern stehenden einheitlichen Macht mehr
oder minder deutlich bestand, wodurch sich an die Stelle des Begriffes
von Gott die dnnkle Vorstellung eines wesenlosen Urgrundes der in
den einzelnen Göttern sinnbildlich dargestellten Naturmächte eindrängen
konnte. Einen Schutz hiergegen gewährte in den letzten Zeiten des
ägyptischen Aufenthaltes nur der Druck, den die feindselige Gesinnung
der Aegyptier auf die Israeliten legte. Mit diesem Schutze aber waren
auch wieder die nachtheiligen Folgen einer tyrannischen Behandlung,
Erniedrigung des Sinnes und Unfähigkeit zu geistiger Erhebung, ver¬
bunden. Der Auszug aus dem Lande der Knechtschaft war der nächste
Schritt, den das Volk auf dem Wege zu seiner Bestimmung that. Hier¬
zu war ihm ein Führer nöthig, der mit ungewöhnlichen Kräften ausge¬
stattet, das Volk zu einem seiner Bestimmung entsprechenden Gefühle
erweckte. Diesen erhielt es in Moses, der, durch besondere Fügung
unter dem Einflüsse ägyptischer Weisheit erzogen und doch als Fremd¬
ling aus dem Kreise ägyptischen Lebens ausgestoßen, in sich die Be¬
dingungen zu der für das Werk der leiblichen und geistigen Befreiung
erforderlichen Ueberlegenheit vereinigte. Ein vierzigjähriger Aufenthalt
in der Wüsteneinsamkeit des nördlichen Arabiens, der ihn von dein Ge-
wirre des ägyptischen Lebens trennte und, wie er ihm die Genüsse fei¬
nerer Cultur entzog, ein Bedürfniß nach höherer Befriedigung in ihm er¬
regte, war seine Vorbereitung. Gott offenbarte sich ihm durch die
Stimme aus dem brennenden Dornbüsche. In dieser Offenbarung be¬
zeichnet sich Gott mit den Worten: Ich bin, der ich bin, im Gegen¬
satz zu den das Wesen der Gottheit verflüchtigenden Vorstellungen des
Heidenthums, als lebendigen, persönlichen Gott, als welcher er später
den Namen Jehova erhalten hat. Er ertheilt dem Moses den Auftrag,
das Volk nach Kanaan zu führen und zeigt dem an die Bildersprache
Aegyptens gewöhnten Sinne in dem Bilde des brennenden Busches den