Die Perser.
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gem zuwendet. Das Licht, in seiner Einheit und als Person gefaßt, ist
der Gott Ormuzd. Er ist aber nicht in freiem Schaffen thätig, sondern
als letzter Grund der Dinge gilt die unerschaffene und unbegrenzte Zeit,
Zeruane Akerene. Wie dein Lichte in der Welt die Finsterniß entgegen
steht, so wirkt dem Ormuzd gegenüber eine ihm feindliche Kraft, der
Ahriman, als Verderber und Zerstörer, wie als Urheber aller schädlichen
Wesen. Diese Lehre hat sich ausgebildet unter dem Einflüsse der Wahr¬
nehmungen von einem in Natur und Menschenleben unaufhörlich thätigen
Kampfe zwischen heilsamen und schädlichen Kräften. Auch der Gegen¬
satz des auf Ackerbau beruhenden geordneten Lebens zu dem unsteten, der
Entwicklung der Sitte hinderlichen Nomadenleben hat in die religiösen
Vorstellungen hineingespielt und so dem Gegensätze der Lebensweise durch
die Beziehung auf den ebenfalls durch Licht und Finsierniß verfinnbil-
deten Gegensatz des Guten und Bösen eine höhere Bedeutung gegeben.
Der Dualismus der Götter hat sich weiter ausgebildet in der Annahme
der zu dem Reiche eines jeden gehörenden guten und bösen Geister,
der Amschaspänds und der Devs, welche für alle Zeiten einander be¬
kämpfen, bis am Ende der Tage Ahriman dem Ormuzd unterliegt. Jeder
der beiden Götter hat deren sechs als die obersten in seiner nächsten Um¬
gebung. Den Menschen schützen im Kampfe mit den finsteren Gewalten
die Ferver, deren jedes lebende Wesen einen als geistiges Urbild und
Vorbild hat. Ein Abbild des Lichtgottes auf der Erde ist der König
und nur Ormuzd kann ihn strafen, wenn er durch Mißbrauch seiner Ge¬
walt ein Diener Ahrimans wird. Die Verehrung des Gottes geschieht
in einer Weise, welche eng damit zusammenhängt, daß das Reinste und
Geistigste im Gebiete des Erschaffenen als der Träger der göttlichen
Macht gedacht wird. Keine Tempel werden ihm erbaut, das Feuer ist
sein irdisches Sinnbild, seine Opfer Blumen und Wohlgerüche. Vor
anderen heidnischen Religionen zeichnet sich diese auch durch die aufge¬
stellten sittlichen Forderungen aus. Das Bewußtsein von einer ur¬
sprünglich vorhandenen, aber durch Ahrimans Einfluß verlorenen Rein¬
heit ist deutlich ausgesprochen und eine Menge von Vorschriften weisen
den Menschen an, sich nicht zu verunreinigen und durch körperliche Rein¬
heit die geistige zu wahren. Dem entsprechend sind die Tugenden der
Wahrheit, Treue, Gerechtigkeit und Mäßigkeit als die Grundbedingungen
des staatlichen Lebens ausgestellt.
4. Das medische Reich, das durch seine Losreißung von dem assy¬
rischen Reiche Einfluß auf das westliche Asien gewinnt, erscheint als der
Erbe baktrischer Religion und Cultur. Die reiche natürliche Ausstattung
des in den nordwestlichsten Gegenden des iranischen Hochlandes, im
Süden des kaspischen Meeres und des Arares gelegenen Mediens war
der Bewahrung dieser Erbschaft günstig. Mittelst welcher Ereignisse
Kiesel, Weltgeschichte.!. 8