Die Auflösung des macedonisch-persischen Reiches. 281
rung der Negierung übertragen, bis das von der Norane zu erwartende
Kind Aleranders, falls es ein Knabe sei, der Nachfolger des Vaters
werden könne. Auf einen Sohn, Namens Herakles, den Alexander aus
einer außerehelichen Verbindung hinterlassen und einen Sohn des Phi¬
lippus, Namens Philippus Arrhidäus, der auch aus einer derartigen
Verbindung stammte und überdies schwachsinnig war, nahm man
keine Rücksicht. Doch das Dasein dieser Angehörigen der königli¬
chen Familie bot in der Folge einzelnen nach Herrschaft begierigen
Männern die Gelegenheit, ihre Plane unter dem Scheine eines Kampfes
für deren Ansprüche in Ausführung zu bringen. Dies konnte um so
weniger ausbleiben, als das Heer viele Männer zählte, deren keiner
einem andern einen Vorrang zugestehen zu müssen glaubte. So bildete
sich gleich jetzt ein feindlicher Gegensatz im Heere selbst, indem ein Theil
desselben für Philipp Arrhidäus auftrat. Unter dem macedonischen Fu߬
volk war eine besonders angesehene Abtheilung die seit Philipps Zeiten
zur Bewegung in dicht geschlossenen, bei Abwehr und Angriff undurch¬
dringlichen Massen eingeübte Phalanx. An ihrer Spitze erzwang ihr
Befehlshaber Meleager die Anerkennung des blödsinnigen Halbbruders
des verstorbenen Königs als Nachfolgers, und als ein Sohn Norane's,
Alexander, geboren war, wurde die Negierung im Namen zweier Kö¬
nige geführt. Doch ward Meleager, noch ehe der junge Alexander
geboren war, ein Opfer des Hasses, den er hierdurch bei der Partei
des Perdikkas auf sich geladen hatte und diese gewann bald so viel
Einfluß auf Arrhidäus, daß er seinen Beschützer preisgab und ihn tödten
ließ. Es war das Vorspiel einer Reihe von Kämpfen, welche die Ersten
des Heeres lange Zeit in wechselnden Parteistellungeu mit einander
führten. Diese Kämpfe bilden ein großes Gewirre, in welchem nie
Einzelne durch höhere Beweggründe geleitet erscheinen und daher auch selten
einer vorzügliche Theilnahme verdient. Die Kämpfenden werden im allge¬
meinen die Nachfolger, die Diadochen, genannt und ihr Werk ist das
allmälige Zerreißen der von Alexander geschaffenen Monarchie in eine
Anzahl selbstständiger Staaten, deren Zahl dadurch eine verhältuißmäßig
geringe wird, daß ein Theil von ihnen in den Kämpfen uutergeht, wäh¬
rend die übrigen, sobald die leidenschaftlichste Herrschsucht auch die An¬
gehörigen des königlichen Hauses vertilgt hat, auf die eigenen Familien
die erkämpfte Herrschaft vererben. Die Mittel, ihre Kämpfe mit Hee¬
resmassen zu führen, gewähren ihnen die Provinzen, die sie als Sa¬
trapen durch Uebereinkunft erhalten oder mit Gewalt an sich reißen.
Denn die unterworfenen Länder schauen, ohne daß sich ein Versuch zur
Gewinnung einer nationalen Selbstständigkeit zeigt, duldend dem großen
Schauspiele zu, in welchem ein Gewalthaber den andern stürzt.