Full text: Die vorchristliche Zeit (Bd. 1)

384 Die Römer während der Ausbildung ihrer 'Staatsverfassung 
schmälern konnten, wurden dem Staate für die Folge krampfhafte 
Zuckungen nicht erspart. Es mußte vielmehr auf der durch die neue 
Verfassung gewonnenen Grundlage die Plebs, die bei fortdauerndem 
Wachsen des Staates, wie sie an Bedeutung zunahm, so auch ihre An¬ 
sprüche steigerte, das Erhaltene durch Erkäinpfung ausgedehnterer Be¬ 
fugnisse zu erweitern trachten und daraus entwickelte sich für Jahr¬ 
hunderte ein Kampf der Stände, dessen Ergebniß staatsbürgerliche 
Gleichheit war. 
6. Wie Servius Tullius durch feine Verfassung den Grundriß, 
nach welchem der römische Staat sich ausbauen sollte, gezeichnet hat, 
gab er auch der Stadt, die dessen Haupt war, für Jahrhunderte ihre 
Ringmauern, indem er bei dem durch ueue Ansiedelungen entstandenen 
Bedürfuiß der Erweiterung zu den schon bewohnten fünf Hügeln auch 
die beiden östlichen, den viminalischen und esquilinischen bebaute und so 
die Stadt zu der Siebenhügelstadt machte, für welche seine Mauer in¬ 
dessen ihre militärische Wichtigkeit in der Folge dadurch verlor, daß sich 
nach allen Seiten Vorstädte anschlossen. Einen ferneren Ausbau be¬ 
wirkte er dadurch, daß er das Verhältniß Roms zu den Latinern in einer 
Weise ordnete, wodurch sich Roms Hoheit über Latium begründete. 
Noch entstand zwar kein eigentlich hegemouisches Verhältniß, aber Zu¬ 
sammenhang und Gleichheit beider Völker erhielten einen bestimmteren 
Ausdruck. Hatte bisher Rom an den Festfeiern, die der latinische Bund 
seit Alba's Untergang nicht mehr, wie einst, auf dem albanischen Berge, 
sondern am ferentinischen Quell beging, Antheil genommen und hatte so 
das Volk, das Latiums Sprache zu einer Sprache der Welt gemacht 
hat, dem Volke, von welchem ein bedeutender Anstoß zur Gründung 
seines eigenen, besonderen Bestehens ausgegangen war, eine Huldigung 
gebracht, so begann jetzt eine Theilnahme der Latiner an einem die 
Bundesgenossenschaft darstellenden Feste auf dem Aventiuus, wo die 
Römer den Vorstand bildeten und die Latiner nur Gäste waren. Rom 
war also mit voller Selbstständigkeit Mitglied des latinischen Bundes. 
Daß bei einer solchen Gemeinschaft der mit großer Lebenskraft sich ent¬ 
wickelnde und durch die neue Verfassung zu erhöhter Thätigkeit belebte 
römische Staat ein Uebergewicht erlangte, war um so natürlicher, als 
Latium bei seiner Getheiltheit nicht das zu Erhaltung seiner Selbststän¬ 
digkeit nöthige Gegengewicht bildete und nur in einzelnen Zeitpunkten, 
wo der Anblick drohender Gefahr die einzelnen Städte vereinigte, gegen 
den überlegenen nach Herrschaft trachtenden Bundesgenossen in die 
Schranken trat, um, wenn der Versuch mißlang, das Uebergewicht, das 
der Sieg deutlicher herausgestellt hatte, desto entschiedener zu fühlen. 
Wie die Plebejer in das Bürgerthum ausgenommen sind, treten in die 
von ihnen verlassene Stellung die Latiner ein und es setzt sich das in
	        
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