Gang und Gliederung der vorchristlichen Geschichte. ZZ
Feinheit der Sitte und des Denkens rohe Völker entwildernd. In
gleicher Weise, wie es sich zu jeder von bloß menschlichen Ausgangs¬
punkten erreichbaren Vortrefflichkeit erhebt, ist es auch freigebig, diese
Vortrefflichkeit vor der Nachwelt zu entfalten. Denn dem Neichthmn
redender Denkmäler, die es hinterlassen, entspricht die Aufmerksamkeit,
welche es den nachfolgenden Nationen eingeflößt und durch welche es
dieselben zur Bewahrung jener Denkmäler genöthigt hat, um von dem,
was sein Sinn entdeckt und geschaffen, zu fernen und fernsten Geschlech¬
tern zu reden. Doch derselbe Zug zu dem individuellen Leben, den:
jene reichen Blüthen zu danken sind, entzündet auf dem staatlichen Ge¬
biete einen mit Vernichtung des griechischen Staatslebens endenden Kampf
der gesonderten Mächte gegen einander und spaltet auf dem wissen¬
schaftlichen Gebiete die nach Erkenntniß suchenden Kräfte in eine Vielheit
von Richtungen, die über die Zeit eines selbstständigen griechischen Lebens
hinausreichend, mit dem Aufgeben des Glaubens an eine durch mensch¬
liche Kräfte zu erforschende Wahrheit enden, und so von anderer
Seite her als das Zudenthum die Geister für die Annahme der christ¬
lichen Offenbarung vorbereiten. Die Geschichte des im äußeren Dasein
selbstständigen griechischen Lebens endet aber gleichzeitig mit der des persi¬
schen Reiches. Das hellenisirte Reich der Macedonier leitet das Grie¬
chenthum in das Becken, welches die durch die Perserherrschaft zu einem
Strome vereinten Strömungen der orientalischen Geschichte aufnimmt
und das neue Strömungen gemischten Wassers in den hellenistischen
Reichen entsendet. Ehe aber die Ergebnisse der griechischen und west-
asiatischen Geschichte sich verschmelzen, zeigt sich schon eine solche Be¬
rührung beider Kreise, daß mit Rücksicht auf den endlichen Sieg des
Griechenthums die letzten Schicksale des Perserreiches als die Schritte
zu seiner Vernichtung durch die Griechen aufgefaßt werden können und
deren Darstellung sich episodisch in die griechische Geschichte einflech¬
ten läßt.
8. Die Geschichte der hellenistischen Königreiche, daneben die grie¬
chischen, sich mit den Bestrebungen jener Königreiche berührenden und
kreuzenden Versuche zur Entwicklung eines neuen politischen Lebens, bil¬
den einen dritten an jene beiden ersten gemeinschaftlich sich anschließenden
Abschnitt der vorchristlichen Geschichte. Die Grenzen des Schauplatzes
sind im Ganzen dieselben, wie sie für jene beiden Abschnitte zusammen
waren. Aber im Osten scheiden sich, indem der Hellenismus die orien¬
talische Weise nicht völlig zu überwältigen vermag, allmälig Länder aus
dem Kreise aus, in welchem sich die auf die folgenden Zeiten fortwir¬
kenden Ereignisse und Zustände entwickeln und die Geschichte drängt sich
nach Westen, wo der von den Kreisen des altgriechischen Lebens fern
gebliebene Staat der Römer eine Ausdehnung gewinnt, die ihn mit den
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