Die Römer in der Zeit der Umwälzungen und der Bürgerkriege. gZI
die Julia geheirathet hatte, aus der Nahe des Augustas, und während
eines mehrjährigen Aufenthaltes in Nhodus, der in die Zeit zwischen
seiner ersten und zweiten Befehlshaberschaft am Rheine fällt, bildete er
in ausschweifendem Leben seinen Charakter zu Hinterlist und Verschlos¬
senheit. Als die Mutter Livia im Jahre 2 nach Chr. Geb. seine Rück¬
kehr bewirkte, war kurz vorher Casus, den Augustus mit einem Auf¬
träge nach Kappadocien geschickt hatte, in Lycien gestorben und im Jahre
4 starb auf einer Reise nach Spanien Lucius in Massilia. Inzwischen
war Julia lasterhaften Lebens wegen schon während Tiberius sich in
Nhodus aufgehalten, auf die an der kampanischen Küste gelegene Insel Pan-
dataria verwiesen worden. Nun adoptirte Augustus den Tiberius, wo¬
mit Livia ihre längst gehegte Absicht, die Herrschaft an ihre Familie
zu bringen, verwirklicht sah. Um aber zugleich für fernere Zukunft die
Nachfolge zu ordnen, bewirkte Augustus, daß Tiberius den Sohn
seines Bruders Drusus, der nach dem Kriegsschauplätze seines Vaters
Germánicas hieß, adoptirte. Wenn aber Augustus neben dem Tiberius
zugleich einen nachgeborenen Sohn des Agrippa adoptirte, schien dies bei
dessen Rohheit keinen Einfluß auf die Bestimmung der Nachfolge haben
zu können, aber dennoch wurde derselbe auf Livia's Betrieb nach der
an der etrurischen Küste liegenden Insel Planasia verbannt.
37. Als Augustus im Jahre 14 nach Chr. Geb. auf einer Reise
in Nola starb, traf Tiberius, der schon eine Zeitlang Genosse der Herr¬
schaft und mit der tribunicischen Gewalt bekleidet gewesen war, unter
Livia's Mitwirkung alle Anstalten, sich der Herrschaft zu versichern, und
nahm dieselbe, nachdem Augustus' Leichenfeier begangen und demselben
göttliche Verehrung zuerkannt war, aus den Händen des Senates an,
indem er sich den Schein gab, sich nur ungern die Bürde aufzuladen.
Den unglücklichen Agrippa hatte man vorher in Eile unter dem Vor¬
geben, daß Augustus einen Befehl dazu hinterlassen habe, umbringen
lassen. Während so im Mittelpunkte des Reiches Alles nach den
Wünschen des Tiberius von Statten ging, zeigte sich bei den Legionen
an der Donau und am Rhein die Erscheinung des Aufruhrs, die sich
seitdem als eine dem ganzen Entwicklungsgänge des Staates entspre¬
chende Krankheit noch oft wiederholte. In dem Bewußtsein, daß auf
ihnen die Herrschaft ruhe, wollten die durch anhaltendes Kriegsleben
dem Staate entfremdeten Truppen den Regierungswechsel benutzen, um
eine Verbesserung ihrer Lage zu bewirken. Nur mit großer Mühe
wurde die Empörung in Pannonien durch Tiberius' Sohn Drusus, am
Niederrhein durch Germanicus gedämpft. Am Niederrhein zeigte sich
auch die andere in der Folge noch oft wiederkehrende Erscheinung, daß
die Legionen den Herrscher für das Reich bestimmen wollten. Denn
die Erhebung war verbunden mit der Absicht, statt des Tiberius den