Die Babylonier und die Assyrier.
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Raum, den sie bei der ersten Niederlassung eingenommen, in ihre Ring¬
mauern eiugeschlossen hatten. In dieser Ausdehnung konnte Babylon
bei der durch benachbarte Nomadenstämme entstehenden Unsicherheit zu¬
gleich als Zufluchtsort gegen deren Angriffe und Plünderungen dienen.
Unterworfene Völker haben wohl zu der Aufführung der großen, theils
aus gebrannten, theils aus bloß getrockneten Steinen und Erdharz er¬
richteten Gebäude, an welchen sich zum Theil reicher Schmuck von Bild¬
werken auf Alabasterplatten findet, die Arbeiter geliefert. In Reli¬
gion und Cultur hatten beide Reiche manches Gemeinsame und der
wesentlichste Unterschied scheint auf dem Eingänge zu beruhen, welchen in
Assyrien die Einwirkung östlicherer Völker fand. Die babylonische Re¬
ligion war ein Götzendienst, der die in der Natur wirkenden Kräfte mit
Göttlichkeit ausstattete, und mittelst der Erhebung natürlichen Ent¬
stehens und Wachsthums zu Gegenständen religiöser Verehrung auch
Leben und Sitte verderbte. Daher knüpften sich an den Dienst des
Baal und der Mylitta Gebräuche empörender Unsittlichkeit, die Babylon
schon bei seinen Nachbarn in den Ruf der Unzucht brachten. In Ver¬
bindung mit dieser Richtung der Religion stand die Verehrung der Ge¬
stirne und daran sich knüpfende, zugleich den Bedürfnissen der Bodenbe¬
bauung entsprechende und durch die Beschaffenheit des Landes und seines
Himmels geförderte Beobachtung der Gestirne, die Babylonien zur Hei-
math der Astronomie und bei dem Bestreben, in dem Laufe und den
Stellungen der Sterne künftige Geschicke angedeutet zu finden, auch der
Astrologie machte. Astronomie und Astrologie machten daher den Haupt¬
inhalt der Weisheit aus, wodurch die babylonische Priesterschaft, die ur¬
sprünglich eine herrschende Kaste gewesen zu sein scheint und nach dem
Namen des Volkes Chaldäer genannt wird, weit über die Dauer des
babylonischen Reiches hinaus berühmt geblieben ist. Die übrigen Rich¬
tungen der Thätigkeit des Volkes waren bestimmt durch das Bestreben,
das Land nach den von der Natur bezeichneten Bedingungen einzurichten
und für Lebensunterhalt und Wohlleben möglichst reiche Mittel zu ge¬
winnen. Dämme zähmten die Fluten der jährlich durch das Schmelzen
des Schnees in den armenischen Gebirgen hoch anschwellenden Ströme,
künstliche Teiche sammelten den Ueberfluß der Gewässer und Kanäle,
worunter der bedeutendste der Naarmalka oder Königskanal, der aus der
dem Tigris am nächsten liegenden Stelle des Euphrat nach der Stelle
der späteren Stadt Seleucia führte, dienten theils das wegen Regen¬
mangels trockene Land zu bewässern, theils dem angeschwollenen Euphrat
eine Ableitung nach dem tiefer fließenden Tigris zu geben. Die Frucht¬
barkeit allen Meilen des Landes mitzutheilen, bediente man sich mecha¬
nischer Vorrichtungen, die das vielfach geleitete Wasser auf die höheren
Stellen emporhoben. Das Land war im Gegensätze zu dem nördlichen