Full text: [Enthaltend Denkwürdigkeiten und Lebensbeschreibungen aus der neuern und neuesten Geschichte] (Theil 4)

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durch den Durchzug des Heeres aufgebürdet wurde, zumal die 
Franzosen Preußen als ein erobertes Land betrachteten und be¬ 
handelten. *) Am 24. und 25. Juni überschritt die sogenannte 
große Armee, vom schönsten Wetter begünstiget, den Niemen. 
Ohne bedeutenden Widerstand zu finden drang Napoleon in 
der 7ten Woche nach seinem Einmärsche verheerend vor bis Smo¬ 
lensk, einer für heilig gehaltenen Stadt, welche aber zum Schrek- 
ken der Franzosen in einen Aschenhausen verwandelt wurde. Zwei 
Tage lang wurde die vom Dniepr geschützte Stadt von den Russen 
mit Tapferkeit vertheidiget; dann wurde sie von den Truppen und 
Einwohnern verlosten, und der Feind fand nur Brandstätten, keine 
Vorräthe. 
Zum zweiten Mal wurde an der Moskwa, bei dem Dorfe 
Borodino, gestritten (d. 7. Sept). Ein Geschichtsschreiber, der 
dem Kampfe beiwohnte, behauptet, daß diese Schlacht die blu¬ 
tigste gewesen, welche seit der Erfindung des Schießpulvers ge¬ 
liefert ^ worden sei. Elf Stunden währte der furchtbare Kampf: 
70,099 Todte und Verwundete von beiden Seiten bedeckten arn 
Abende das Schlachtfeld. Die Rüsten zogen sich in voller Ord¬ 
nung zurück, und Napoleon schien abermals Sieger zu sein. Jetzt 
stand den Franzosen der Weg'nach Moskau, der alten, heiligen 
Czarenstadt, offen. Hier hofften sie, sich für alle erlittenen 
Mühsale und Entbehrungen zu entschädigen; denn schon bisher 
batten sie sehr großen Mangel an Lebensmitteln gehabt, weil die 
Russen Alles vor sich her zerstörten. In Moskau hatte Napo¬ 
leon den Seinen nicht bloß ruhige Winterquartiere, sondern 
auch das Ende des ganzen Kampfes versprochen. So sicher war 
er in seinen Erwartungen. Am Ickten Sept. tauchte endlich die 
wunderbare Czarenstadt vor dem französischen Heere aus Groß 
war der Jubel bei dem Anblicke der gewaltigen Stadt mit ihren 
295 Kirchen, den Hunderten von vergoldeten Kuppeln und den 
*) Berlin, welches damals etwa 170,000 Einwohner zählte, hatte vor 
Ende März bis Anfang Sept. 1812 nicht weniger als 240,000 Mann 
und 130,000 Pferde einzuquartieren und zu werpflegen. In Ostpreu¬ 
ßen allein nahmen die Franzosen 77,920 Pferde, 13,394 Wagen urw 
22,772 Ochsen. 
Geschichtssreunv IV. 19
	        
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