Die Kirchentrennung. 9
2. Die Kirchentrennung. Ihre Ursachen und
ihre Bedeutung.
Der Zustand der Kirche war schon seit Jahr¬
hunderten vielfach verworren, und das Verderbniß
der äußeren Ordnung hatte tief in das innere
Leben des christlichen Glaubens und in die Sitt¬
lichkeit der Völker eingegriffen; denn »denn die
Lehrer des göttlichen Wortes nicht fromme und
tugendhafte Männer sind/ wie soll sich die Ach¬
tung vor demselben in dem Herzen des Volkes
erhalten? Die Klagen über den Verfall der Kirche
lind das Verlangen nach einer Verbesserung ,,an
Haupt und Gliedern" waren schon alt. ES lstkei-
rier aus allen Neligionspartheicn, der die Ge¬
schichte kennt, welcher Nicht wüßte, daß solche Kla¬
gen tief begründet waren. Sie wurden erhoben
im Namen ganzer Nationen; ste kamen von treuen
Anhängern der alten Kirche, von ehrwürdigen Bi¬
schöfen, von gelehrten, wohldenkenden Männern
in Staat und Kirche, und dienen späteren Zeiten,
wenn sie .solche Mißbräuche abgethan haben, ju
keinem Vorwurf.
Zur Zeit der großen Spaltung O 578—1414),
da mehrere Papste zugleich sich um den Stuhl
Petri stritten, tharen sie einander wechselseitig
sammt ihrem ganzen Anhang in den Bann, so
daß alle Länder der Christenheit von einem oder
dem andern Papste unter dem Bannflüche lagen,
und die friedlichen und frommen Gemüther nicht
wußten, wo sie in Wahrheit den Frieden Christo
suchen sollten. In solchen Zeiten, unter solcher
Gewalt der Leidenschaften, mußte nothweiidig die
alte, gläubige Ehrfurcht vor dem päpstlichen Na¬
men bedeutend geschwächt werden; die unsichtba-
ren, heiligen Bande lösten sich allmählich auf.
Dazu kam eine gränzenlose Unwissenheit
des geistlichen Standes, wenigstens in seinen
meisten Gliedern, — denn einzelne weise, kennt-
nißreiche Männer konnten die Frnsterniß der größer
ren Menge nicht erhellen. Und wie aus der Frn>