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§. 56. Das hellenistische Wesen im 3. Jahrh. 
dadurch das Gefühl der Hülfsbedürftigkeit mehr und 
mehr w eckte. Ein Theil der Menschheit suchte nun des Herzens Un¬ 
ruhe entweder durch wilde sinnliche Ausgelassenheit oder durch strenge 
Kasteiungen zu beschwichtigen; der denkende Theil suchte durch neue 
philosophische S y st e m e einen Ersatz für die Religion zu geben. 
Als solche neue philosophische Systeme sind zu nennen: der von 
Epicurus (341—270) herrührendc Epicureismus mit seiner bequemen 
Sittenlehre, die den behaglichsinnltchen Genuß empfiehlt und dabei nur grobes 
Unrecht meiden hieß; — der von Zeno St o Leus (362 — 264) gestiftete 
Stoicismus mit seiner ernststrengen Sittenlchre, welche in die Empfindungs¬ 
losigkeit gegen alles Sinnliche die höchste Tugend setzte und auf sie ein System 
stolzer Selbstgenügsamkeit erbaute; — der von Pyrrho (376—288) hcrrüh- 
rcnde Scepticismus, der als plattester Unglaube alles Positive in Religion 
und Philosophie bestritt und selbst am Zweifel zweifelte; — der nach einem 
gewissen E uh einer o s benannte Euhemerismus, dem cs dadurch, daß er 
sich nachzuweisen bemühte, daß alle Götter Menschen gewesen, die Menge der 
Nichtglaubcndcn ausnehmend zu vermehren gelang. 
Die Pob'sie in dieser Zeit des entnervenden Sinnengenusses, 
geistlähmender Erwerbsucht und schwelgerischen Müssiggangs be¬ 
stand meist nur in abgeschmackten Verskünstelcien, und nur Me¬ 
nander und Philemon in der sogenannten neuern Komödie, 
vorzüglich aber Theokrit in der bukolischen Dichtung (d. i. im 
Hirtengedicht) verdienen bemerkt zu werden. 
Die alexandrinische Wissenschaft forderte jedoch 
Vieles, was von höherer Bedeutung war. Zwar theilte die Ge¬ 
schichtschreibung die Gebrechen der Poesie, indem es ihr an 
Treue und Wahrheit mangelte (Berösus, Manetho re.); aber 
in der Sprachwissenschaft, Mathematik, Physik, Me¬ 
chanik und Astronomie trat der griechische Geist dieser helle¬ 
nistischen Periode mit wahrhaft schöpferisch - thatigem, weit in die 
Zukunft hinausgreifenden Erfolg ans, zumal die großen und rei¬ 
chen Fürstenhöse und Handelsstädte jener Zeit die Bestrebungen der 
Gelehrten auf das Freigebigste unterstützten und ganz besonders 
die Anwendung der mathematisch-physikalischen Wissen¬ 
schaften auf Handel, Schifffahrt und Gewerbe in großartigster 
Weise förderten. 
Unter den vielen Mathematikern sind besonders hervorzuheben Euklides, 
der das erste wissenschaftliche Lehrgebäude der Geometrie und Stereometrie
	        
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