§. 69. Bildungsstand der Römer in der Periode der pun. Kriege. 247
3. Bildungsstand der Römer in der Periode
der punischen Kriege.
69. Teil die Römer durch ihre Eroberungskriege in so nahe
Berührung mit den Griechen kamen, und mit deren reichen
Literatur bekannt wurden, gewann diese auch einen wesentlichen
Einfluß auf die Bildung und Literatur der Römer, ob¬
gleich die römischen Geisteserzeugnisse lange nur aus bloßer Nach¬
ahmung und Übertragung griechischer Muster beruhten. So
entwickelte sich durch Nachahmung der neuen attischen Komödie
eines Men ander, Philemon rc. aus den schon genannten rö¬
mischen Atellanen und Satirspielen die römische Komödie,
welche durch Pacuvius anfieng selbstständiger zu werden, aber
erst durch Plautus eine mehr nationale Ausbildung erfuhr. —
Di e epische Dichtkunst wurde besonders durch Nävius und
Ennius angebaut, von denen der letztere die Geschichte Rom's
in Versen beschrieb und die Thaten des älteren Scipio besang. —
Das höhere Drama oder die Tragödie blieb zurück, weil die
Vorliebe der Römer an dem Schaugepränge der Fechterspiele,
Thierhetzen, Pantomimen rc. dem Geschmack an jenen
Geistesgenüssen nicht förderlich war; und als die dramatischen
Musterbilder der Griechen den Römern bekannt wurden, blieb es
meist nur bei Uebertr agun g en.
Die Ausbildung einer bessern römischen Prosa fällt eben¬
falls in die Zeit des zweiten punischen Kriegs und beginnt mit
Aufstellung einer römischen Geschichte, die aber zuerst bloß in der
Form der Annalen, d.i. in Aufzeichnung der Begebenheiten ohne
innere Verbindung, sich darstellte.
Dagegen fand in dieser Zeit die Geschichtschreibung an einem Griechen,
dem obengenannten Achäer Polybius, dem Freund und Rathgcbcr des jün¬
ger» Scipio, eine vorzügliche Bearbeitung, indem er die Zeit vom zweiten
punischen bis zum dritten macedonischcn Krieg schrieb und darin der Urheber
der pragmatischen Geschichtsdarstellung wurde, welche die Ursa¬
chen, Umstände und Folgen der Handlungen bcurtheilt und den Charakter der
Handelnden auffaßt.
Den meisten Einfluß aus den römischen Geist hatte die grie¬
chische (hellenistische) Bildung auf dem Wege der Beredtsamkeit
und Philosophie, besonders seit der Zeit, da die damaligen