246 Mittlere Geschichte. 2. Zeitr. i. Abschn.
2. Chärakter dieses Zeitraums.
Dieser Zeitraum ist in Europa der unglücklichste in Hin¬
sicht der Verderbtheit der Religion, der Verfinsterung des mensch¬
lichen Vorstandes und der drückenden bürgerlichen Verfassung.
Die lehnsherrliche Negierungsform gab den Staaten einerlei)
politischen Charakter. Sie waren innerlich schwach, ihre Re¬
genten ohne Macht, und unfähig, einer auswärtigen Unterneh¬
mung Nachdruck zu geben. Der Einstuß des Papstes auf jede
wichtige Angelegenheit trug dazu bey, die Kraft und Thätigkeit
jedes Mannes von Genie zu lähmen. Da aber diese Schwäche
allen Staaten eigen war, so wurde durch dieselbe jede wichtige
Resolution verhindert, und nach Endigung der Karolingischen
Hauskriege ging kein Staat mehr unter, und kein auswärtiger
Krieg, außer der englisch-französische und der deutsch - italiäni-
sche war von Dauer oder Wichtigkeit. Aber innerlich waren
die Regenten im Kampfe mit der Nation, und die Stände in
Kriegen und Befehdungen unter einander. Der Mittelstand
verschwand ganz durch die Unterdrückung der Gemeinfreyen;
in der lehnsherrlichen Regierungsform kannte man nur Geist¬
liche, Edle und Unfreye. Durch die beständigen Kriege wurde
alle Kultur und Aufilärung gelähmt, und der Aberglaube ver¬
stärkte seine Macht; die Geistlichen bemächtigten sich des völli¬
gen Uebergewichts, und machten ihr Oberhaupt, den Papst,
zum Herrn der christlichen Staaten dem Namen und der That
nach. Durch die Kreuzzüge wurde eine große Verbesserung aller
dieser Umstände hervor gebracht, die jedoch erst in dem künfti¬
gen Zeiträume bemerkbar wird. Zm Oriente herrschten Auf¬
klärung und Verfeinerung der Sitten, welche bey der Zersplit¬
terung des Chalifats und den Eroberungen der Türken nicht ganz
verloren gingen.
fl. 3. Karls des Großen Monarchie.
Karl der Große herrschte über alle Länder von dem Ebro
bis an die Weichsel und Theis, und von der Nord- und Ostsee
bis nach Süd-Italien, und verband damit den nicht unwirksa¬
men Kaisertitel. Diese so verschiedenen Nationen wurden von
ihm nacht einem so -richtigen Plane regiert, daß unter ihnen
eine hinlängliche Verbindung zur Einheit des Staats entstanden
sevn würde, wenn seine Nachfolger dieselben Maaßregeln be¬
folgt hätten. Auch war keine auswärtige Macht da, die ihm
hätte gefährlich werden können. Aber Ludwigs Schwäche und
die Uneinigkeit seiner Nachkommen richteten diesen furchtbaren