Full text: [Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband]] (Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband])

gekehrt; auf Hühnerleitern war sie selbst gestiegen, und darin traute sie 
keinem andern Aug', in alle Kammern und Winkel, daß jedes Wollen-r 
und Linnenstück, bis zum geringsten hinab, ein Sonntagsgesicht anlegen 
sollte. Drei Austwagen waren bepackt worden, und nachdem sie zu¬ 
geschnürt mit Stricken und saubere Bastmatten darübergelegt waren, 
hatte sich die Edelfrau selbst auf den vordersten gesetzt. Das war ein 
Auszug aus der Burg! Die drei Austwagen voran, die Mägde und 
Töchter der gnädigen Frau auf den zwei andern. Der Junker Hans 
Jochem wollte eine Leiter ansetzen, daß Evchen und Agnes leichter hinauf¬ 
kämen. Frau Brigitte hatte es aber nicht gelitten; wie ein Ritter aufs 
Pferd müsse zur Not sonder Steigbügel und Prallstem, so sei eine große 
Wäsche der Mädchen Ehren- und Schlachttag; müßten sich selbst zu helfen 
wissen, sonst wäre es nichts mit ihnen. Und ehe Hans Jochem zuspringen 
konnte, waren Evchen und Agnes auf den großen Zeugwagen hinauf und 
lachten den Junker von oben aus. 
Drei Austwagen vorauf, der vorderste von zwei Knechten mit Pickel¬ 
hauben und Spießen geführt, dazu ein Hornbläser, um den eine Koppel 
Hunde klaffte; dahinter noch andere Wagen mit Bottichen, Kesseln, 
Stroh, Bänken, Decken, Fässern, Körben und was zur Lebens Notdurft 
diente, vollauf. Die Frau sprach lächelnd zu denen, die sich drob wun¬ 
derten: „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden." 
Und hintenan und zur Seiten Reiter und Fußgänger mit Jagdspießen, 
Armbrüsten; ja einer trug sogar einen schweren Muskedonner. 
So zogen sie über die krachende Zugbrücke unter Musik und Gelächter, 
und der Türmer blies ihnen noch eine Weise nach, bis sie im Walde ver¬ 
schwunden waren. Daß sie Hunde und Spieße und gar ein Feuergewehr 
mitnahmen und bald ein Dutzend rüstiger Männer bei einem Geschäfte 
waren, das anderwärts nur die Frauen angeht, darüber wird niemand 
sich wundern, der weiß, wie es zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts 
in der Mark Brandenburg aussah. Wer außerhalb der Mauern einer 
Burg oder Stadt war, und er trug nicht den Bettlermantel um die nackten 
Schultern, tat recht, wenn er den Leib umgürtete, auch wenn der Stahl 
dann etwas zu lang hinter dem Manne klirrte. Denn zu jeder guten 
Verrichtung gehört, daß, der sie verrichtet, in Sicherheit schaffe. Aber 
daß auch dieser und jener von der Sippschaft, des Hände zu fein waren, 
um die Seile zu spannen oder die Laken aufzuhängen, ja, daß sogar ein 
geistlicher Herr mitzog, könnte verwundern, wenn wir nicht eben wüßten, 
was es mit einer großen Herbstwäsche dazumal im Edelhof von Hohen- 
ziatz für Bewandtnis hatte. 
Die Räume zwischen den Lehmwänden und Steinmauern waren viel 
zu eng für solche Verrichtung. Wo sollte das fließende Wasser herkommen, 
wo die freie Luft zum Trocknen und wo der Rasen zum Bleichen? 
Unsere Vorväter liebten die festlichen Zusammenkünfte im Freien, und wie
	        
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