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in ihrer ganzen Schauderhastigkeit beschrieben werden kann. Hier nur
Einiges davon. Marschall Ney mußte, um sich vor den verfolgenden
Russen zu retten, in einer dunkeln Nacht über einen Fluß setzen, des¬
sen Eisrinde glücklicherweise trug. Alle Wagen, alles Gepäck mußte
am Ufer stehen bleiben, und als die Meisten hinübergegangen waren,
fehlte es Vielen an Kraft, am andern steilen und beeisten Ufer hinan¬
zuklimmen, so daß sie zurückstürzten, das Eis zerborst, und sie ohne
Rettung in das Wasser hinabsanken. Noch kläglicher war das Ge¬
schrei der armen Kranken, die auf den Wagen lagen, die Hände aus¬
streckten, und flehten, sie doch nicht hülflos zu verlassen. Ney ver¬
suchte einige Wagen über den Fluß gehen zu lassen; als sie aber mit¬
ten darauf waren, brach das Eis zusammen. Von dem Ufer hörte
man aus dem geöffneten Schlunde ein herzzerreißendes, wiederholtes
Angstgeschrei, dann ein unterbrochenes Stöhnen, immer schwächer
werdende Seufzer, und endlich eine gräßliche Stille. Alles war im
Wasserschlunde, verschwunden.
In den Dnieper ergießt sich auf dessen rechter Seite ein Fluß,
die Berezina. An sich ist er nicht bedeutend; aber er bildet auf
beiden Seiten breite und tiefe Moräste, die man nur auf einzelnen
Brücken überschreiten kann. Wurden diese von den Russen zerstört,
oder nur stark besetzt, so war der ganze Ueberrest des französischen
Heeres verloren. Wirklich hatten die Russen die Absicht, hier dem
ganzen Trauerspiel ein Ende zu machen. Während Kutusow und
der Kosackenhetmann Platof von hinten drängten, rückten Tschit-
schagof von Süden, und Wittgenstein von Norden schnell heran,
an der Berezina zusammenzutreffen, und Napoleon den Uebergang
zu wehren. Als dieser am Flusse ankam, sah er zu seinem Entsetzen,
daß der Uebergangspunkt von den Russen bereits besetzt sey. Mit
Gewalt war hier nichts auszurichten; aber er nahm zur List seine
Zuflucht. Er stellte sich, als wollte er eine Brücke schlagen lassen,
während er an einer andern Stelle, die nur wenig bewacht wurde, in
größter Stille wirklich eine solche zimmern ließ. Die ganze Nacht
wurde gearbeitet; aber auch jetzt noch hätten einige russische Kanonen
hingereicht, den Bau zu zerstören. Dies erwartete auch Napoleon,
und hielt sich selbst für verloren. Allein Tschitschagof bildete sich ein,
Napoleon werde weiter unterhalb übergehen, ließ seine Truppen ab-
ziehen, und — Napoleon war gerettet. Das war freilich für diesen
ein großes Glück; aber die Brücke war für das Fußvolk eingerichtet;
schnell ließ er noch eine zweite für das Geschütz, die Wagen und die
wenigen Reiter bauen, und am 27. November gingen er und seine
Garden über.
Bis so weit ging alles gut, aber nun kam das Schreckliche.
Sobald man die Garden übergehen sah, drängten sich alle Uebrigs
Nöss. Wtltgesch. III. xy 32