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Sonnen - und Mondsfinsternisse.
schatten nicht convergiren oder in einem Punkte zusammenlaufen, und
wäre die Erde nicht größer als der Mond, so könnte der letztere nie gänz¬
lich verdunkelt werden; allein der Erdschatten umhüllt ihn in der Entfer¬
nung der Mondbahn. Durch Finsternisse und besonders durch Monds-
finsternissc läßt sich die geographische Länge der Orte bestimmen, wobei
die letztern besonders tauglich zur Lösung des Problems sind, weil die
Erscheinung an allen Orten, wo sie sichtbar wird, dieselbe ist.
Es darf auch nicht vergessen werden, daß die Berechnung der Perio¬
den, wo Finsternisse eintraten, bisweilen zur Bestimmung der Zeit histo¬
rischer Ereignisse dienten. Es ist durch Thueydides verbürgt, daß an
einem Sommernachmittage im ersten Jahre des peloponnesischen Krieges
in Athen eine Sonnenfinsterniß beobachtet wurde, welche beinahe so total
war, daß die Sterne sichtbar wurden. Durch Nachrechnung fand man,
daß dieß am 3. August im Jahr 431 vor Christi Geburt gegen 6 Uhr
Abends geschehen seyn mußte. Wenn wir uns erinnern, daß unsere ganze
Zeiteintheilung auf die Bewegungen der Himmelskörper und die da¬
durch hervorgebrachten Erscheinungen gegründet ist, so wird es nicht son¬
derbar erscheinen, wenn wir behaupten, daß die Nachweisung von Finster¬
nissen den Chronologen oft bei Bestimmung seiner Daten unterstütze. Da
die Bahnen, Perioden und Unregelmäßigkeiten des Mondes und der Erde
bekannt sind, so ist es keine sehr schwere Arbeit, die Zeiten zu bestimmen,
wo Finsternisse eingetreten waren. Ein fleißiger und ausdauernder Ge¬
lehrter könnte ebensolcicht die Zeiten berechnen, wann Sonne und Mond
verfinstert waren, als er diejenigen berechnen kann, wo sie es seyn wer¬
den; und daraus könnte er die Daten mancher merkwürdigen politischen
Ereignisse bestimmen. Die Aufmerksamkeit der Menschen war stets auf
die Beobachtung der am Himmel vorkommenden Erscheinungen gerichtet,
und man scheint zu jeder Zeit darüber im Klaren gewesen zu seyn, daß
man kein Phänomen der Erde benützen könne, um darnach den Gang der
Zeit zu messen. Aus diesen zwei Umständen mag sich die häufige Erwäh¬
nung von astronomischen Ereignissen in den Werken der alten Geschicht¬
schreiber und Dichter erklären lassen.
Außer den eben beschriebenen gibt eö noch andere Erscheinungen am
Himmel, die von Zeit zu Zeit aus der Erde wahrgenommen werden; doch
sind diejenige», welche wir erwähnt haben, die merkwürdigsten. Selten
hört man die Leute eine höhere Ansicht über den Einfluß wissenschaft¬
licher Kenntnisse auf das Publikum äußern. Man wähnt gewöhnlich,
diese seyen nur darauf berechnet, die Intelligenz überhaupt zu erhöhen,
das Individuum von der tyrannischen Macht deö Aberglaubens oder der
Furcht zu befreien und es für höhere allgemeine Sympathiee» zugänglich