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gnügen sollte. Aber kaum war Robert in sein Land zurückgekehrt, so brach
Heinrich den Vertrag, fiel in die Normandie ein, schlug seinen Bruder,
nahm ihn gefangen, und sperrte ihn ins Bergschloß Cardiff in Wales, wo
der Unglückliche bis an seinen Tod, 28 Jahre lang, gefangen gesessen hat.
Bis auf diese Härte gegen Robert war Heinrich ein ausgezeichneter Mann,
besaß eine seltene Gelehrsamkeit, und regierte weise. Nachdem sein einziger
Sohn auf der Ueberfahrt von der Normandie nach England auf dem ge¬
scheiterten Schiffe ertrunken war, war seine Tochter Mathilde seine Erbin.
Sie war zuerst an Kaiser Heinrich V. vermählt gewesen, und, nachdem die¬
ser gestorben, an den jungen und schönen Grafen von Anjou Gottfried
Plantagenet*), einen der mächtigsten Barone Frankreichs, einen Sohn
jenes Fulco von Anjou, Königs von Jerusalem, verheirathet worden. Diese
Mathilde ernannte er zur Erbin aller seiner Länder, mit Einstimmung der
englischen Reichsversammlung.
Aber sobald Heinrich I. (1135) gestorben war, bemächtigte sich Ste¬
phan, Graf von Boulogne, des englischen Throns. Dieser war ein
Tochtersohn Wilhelms des Eroberers, also des verstorbenen Königs Nesse,
und besaß außer Boulogne große Güter in England, die ihm Heinrich, dessen
Liebling er gewesen, geschenkt hatte. Dafür aber hatte er Mathilden und
deren Sohn als rechtmäßigen Erben von England eidlich anerkannt. Den¬
noch vergaß er alle Pflichten der Dankbarkeit, brach seinen Eid, und ge¬
wann die Engländer durch Verleihung eines neuen Freiheitsbriefes. Es er¬
hob sich nun ein grausamer Bürgerkrieg, der mit wechselndem Glück 18
Jahre lang geführt wurde, in welchem sich aber Stephan in England behauptete.
Während dessen starb Gottfried Plantagenet (1150). Sein Sohn, Heinrich
von Anjou, setzte für seine Mutter den Krieg fort, bis 1153 ein Ver¬
gleich geschlossen wurde, nach welchem Stephan König von England blieb
(1135 —1154), Heinrich die Normandie, die er (1144) erobert hatte, be¬
hielt, und nach Stephans Tode König von England werden sollte. Da nun
Stephan schon im folgenden Jahre, 1154, starb, so bestieg
Heinrich II. (1154 —1189) den englischen Thron, und wurde der
Stifter des Königsbauses Anjou oder Plantagenet, welches erst 1499
ausstarb. Er war, wie sein Vater, ein hochbegabter Mann, tapfer, fest,
umsichtig, aber auch herrschsüchtig, hart und habgierig. Am meisten ist seine
Regierung getrübt worden durch seinen Streit mit dem Erzbischof von Canter-
bury, Thomas a Becket. Dieser Mann hatte früher als königlicher Kanz¬
ler dem Könige treu gedient, und war durch seine Verdienste nach und nach
bis zum Erzbischof hinaufgestiegen. Nachdem er als Kanzler königlichen Auf¬
wand getrieben, und sich mit Jagen, Reiten, Vogelbeizen und Spielen be¬
lustigt hatte, änderte er als Erzbischof plötzlich seine Lebensart, um den Ruf
eines Heiligen zu gewinnen. Er legte sich die größten Entbehrungen auf,
kleidete sich in Sackleinewand, die er so selten wechselte, baß sie zuletzt voll
Schmutz und Ungeziefer war, nährte sich fast nur von Brot und Wasser,
und wusch täglich 13 Bettlern die Füße. Jetzt (1163) verlangte er von
*) Er führte den Beinamen, weil er einen blühenden Zweig auf dem Helme zu
tragen pflegte.