Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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Es war am Ostermontage des Jahres 1282, als die Ein¬ 
wohner der Hauptstadt Palermo nach frommer Sitte der Väter 
in ganzen Scharen nach einer benachbarten Kirche sich begaben, 
Am dort der Vesper oder Abendandacht beizuwohnen. Der Weg 
'dahin führte durch ein offenes unmuthiges Wiesenthal. In 
diesem lagerte sich weithin die festlich geschmückte Menge, bis 
die Glocke sie zur Vesper rufen würde. Einige ließen sich im 
weichen Grase nieder, andere pflückten Blumen und wanden 
Kränze, Alle überließen sich in heiterer Sorglosigkeit munteren 
Scherzen und Spielen. Auch die in der Stadt wohnenden 
Franzosen mischten sich unter die fröhliche Menge. Damit eS 
aber unter den Palermitanern und den verhaßten Fremden nicht 
zu blutigen Auftritten käme, so war cs von der Obrigkeit strenge 
untersagt worden, Waffen mitzunehmen. Und cs geschah, als 
eine vornehme Jungfrau, begleitet von ihrem Bräutigam, ihren 
Eltern und Brüdern, vorüberging, daß ihr ein unverschämter 
Franzose, mit Namen Drouet, sich nahete und sie mit solcher 
Frechheit beleidigte, daß sie ohnmächtig niedersank. Hierüber 
kam es zum Zanke. Es entstand ein Auflauf; plötzlich blitzten 
Hunderte von Dolchen, welche die Palcrmitancr unter ihren 
Kleidern verborgen trugen, und ringsumher erhob sich das Ge¬ 
schrei: „Nieder, nieder mit den Franzosen!" Drouet war der 
erste, welcher niedergestoßen wurde, dann fielen auch die anderen 
ans der Wiese. Weit den blutigen Dolchen rannte das Volk 
nach der Stadt zurück und setzte hier das Gcwürge fort. Män¬ 
ner, Weiber, Kinder, Alles was nur'einen französischen Namen 
führte, mußte sterben. Viertausend fielen als Opfer der Volks¬ 
wuth in der ersten Nacht. Schnell verbreitete sich dieser Auf¬ 
stand über ganz Sicilicn. In allen Städten, in allen Flecken 
wurden die Franzosen umgebracht, in Eatanea achttausend, in 
Messina dreitausend. Sagte einer, er sei kein Franzose, so ließ 
man ihn das Wort Oieeri (Erbsen) anssprcchen, das ein Fran¬ 
zose nie so wie ein Italiener sprechen kann. Sprach er es 
falsch, so wurde er augenblicklich niedergestoßen. Nur ein einziger 
Franzose wurde verschont, weil er sich durch Rechtschaffenheit
	        
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