Kallsen: Heinrich der Löwe.
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1180 in der Reichspfalz zu Gelnhausen das Urteil vollzogen, zu¬
nächst das Herzogtum Sachsen, das Land seiner Herrschergröße, ihm
feierlichst abgesprochen; der Westen des Landes, der Strich zwischen
Rhein und Weser, das spätere Westfalen, kam an Philipp von Köln,
und zwar mit der Bestimmung, daß auch die nachfolgenden Kölner
Erzbischöfe Herzoge in Westfalen sein sollten. Durch diesen Länder¬
zuwachs stieg Philipp zum mächtigsten Reichsfürsten empor. Der Osten
des Herzogtums, das Land Engern zwischen Weser und Elbe, ward,
vielfach zersplittert, an sächsische Große gegeben und mit dem Reste,
der nun das Herzogtum Sachsen bildete, Bernhard von Anhalt, Al¬
brechts des Büren Sohn, belehnt. Alsdann wurde das zweite Welfen-
land zerteilt. Der getreue Waffengenosse des Kaisers, Pfalzgraf Otto
von Wittelsbach, erhielt das Herzogtum Bayern. Steiermark wurde
abgetrennt und zum Herzogtum umgewandelt. Wir erblicken in diesen
Maßnahmen die hohenstaufische Staatskunst, die darauf bedacht ist,
die Macht der Reichsfürsten durch Zersplitterung zu schwächen, eine
höchst gefährliche Politik für die Einigung des deutschen Reiches, die
nur, solange die starke Hand hohenstaufischer Kaiser das Ganze leitete,
ungefährdet für den Bestand der Gesamtheit ausgeübt werden konnte.
Die Zertrümmerung der Welfenmacht war auf dem Reichstage zu
Gelnhausen feierlichst verkündet worden; aber noch blieb das Schwerere
zu thun übrig, den widerspenstigen Reichsfürsten niederzuwerfen und
ihm die Länder abzunehmen.
Heinrich der Löwe hatte alle Versuche der Ausgleichung von sich
gewiesen; wie ein selbständiger Fürst, den kein Reichsgesetz mehr band,
war er entschlossen, um sein Land zu kämpfen.
Wie ein drohendes Schwert hing des Reiches Acht über dem
Haupte des Löwen. Freilich ging der Kaiser wider seine sonstige Ge¬
wohnheit langsam und zögernd gegen ihn vor, da er vorsichtig sein
Auge auf England, wo Heinrichs Schwiegervater regierte, gerichtet
hielt; doch trafen auch so noch die Schläge den Widerspenstigen dicht
und schwer. Sachsen und Bayern waren ihm in feierlicher Reichs¬
sitzung abgesprochen worden, und keine Hand in diesen Ländern rührte
sich für den Geächteten; mancher, den der Herzog groß und mächtig
gemacht hatte, beeilte sich durch schleunigen Abfall die angedrohte
Reichsacht von sich abzuwenden. So kam es, daß viele Lehnsleute
des Herzogs, die von Kindesbeinen an von ihm aufgezogen waren
und deren Väter ihm ohne alle Widerrede gedient hatten, ihn verließen
und zum Kaiser übertraten. Und wie ihm Burgen und Mannen
durch Abfall verloren gingen, so entriß ihm auch der Tod manchen
werten Genossen.
Im Jahre 1181 rückte die Entscheidung an ihn heran; er sah
ihr mit festem, ungebrochenem Mut entgegen. Freilich einen günstigen