Full text: Erzählungen aus der römischen Geschichte

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einer Frau vornehmen Standes, die als Etruskerin der Weis¬ 
sagung kundig war. Indessen konnte er doch als Ausländer¬ 
in Tarquinii zu keinen hohen Ehrenstellen gelangen; dies 
schmerzte die stolze Tanaquil so sehr, daß sie ihren Gemahl 
bat, die Stadt zu verlassen und nach Rom zu ziehen. Lucumo, 
selbst von Ehrgeiz und Ruhmsucht ausgespornt, willfahrte ihr, 
und beide machten sich auf die Reise nach Rom. 
Als sie nicht mehr weit von Rom entfernt waren, kam 
ein Adler herbei, nahm dem Lucumo den Hut, erhob sich hoch 
in die Lüste und setzte ihn ihm bald nachher wieder auf. Ta¬ 
naquil sah in diesem Ereigniß eine glückliche Vorbedeutung 
und belebte ihren Gemahl mit der Hoffnung, daß ihm die Herr¬ 
schaft zu Theil werden würde. Und diese Hoffnung täuschte 
sie nicht. Denn Lucumo, der in Rom den Namen Lucius 
Tarquinius angenommen hatte und zum Unterschied von 
seinem spätem gleichnamigen Nachfolger Priscus (der Alte) 
genannt wurde, erwarb sich bald durch Freundlichkeit und 
Wohlthätigkcit die Liebe und Achtung seiner neuen Mitbürger. 
Die Kunde von ihm gelangte auch an den Hof. Der König 
Ancus Marcius gewann den reichen Etrusker lieb und bediente 
sich seines Rathcs und Beistandes in allen Angelegenheiten; 
ja er bestellte ihn sogar vor seinem Tode zum Vormund seiner 
Kinder. Als aber Ancus tobt war, sandte Tarquinius dessen 
beide Söhne zur Zeit, als die Wahl des neuen Königs voll¬ 
zogen werden sollte, auf die Jagd; er selbst bat in der Ver¬ 
sammlung das Volk, das er an die vielen von ihm erhaltenen 
Wohlthaten erinnerte, um die Königswürde. Das Volk will¬ 
fahrte seiner Bitte, und Tarquinius Priscus ward König. 
Um sich zum Kriege gegen die Sabiner zu rüsten, wollte 
Tarquinius den bisherigen drei Reitcrschaaren (Centurien) noch 
drei neue Centurien mit neuen Namen hinzufügen. Aber der 
Augur Attus Navius erklärte, dies könne nicht geschehen, 
weil die frühere Einrichtung mit Zuziehung der Augurien ge¬ 
troffen sei und diese jede Neuerung verböten. Da soll Tar¬ 
quinius, um die Kunst des Weissagers zu Schanden zu machen, 
den Attus Navius gefragt haben, ob das möglich sei, was er
	        
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