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Drittes Buch.
daselbst eine milesische Colonie anzulegen. Die Gegend war
reich an Schiffbauholz, an Silber und Gold und hatte treffliche
Häfen und Buchten, sie lag fast ganz außerhalb des Bereiches
der persischen Macht. An einem großen Landsee, durch welchen
der Fluß Strymon ins Meer fließt, ward die Stadt Myrkinos
erbaut. Histiaios gab ihr eine weite Ausdehnung, versah sie
mit hohen, festen Ringmauern, er träumte schon von der Unter¬
werfung der benachbarten Städte und thrakischen Stämme, von
einer Herrschaft über das ganze thrakische Meer; da zog Me-
gabazos, der Feldherr des Dareios, des Weges, er sah die
großartigen Vorkehrungen des Histiaios und schöpfte Verdacht
über die Absichten des ehrgeizigen Mannes. Als er nach Sardes
zu Dareios kam, erzählte er, was er gesehen, und rieth dem
König, den Histiaios unschädlich zu machen. Der König berief
den Griechen zu sich und sprach zu ihm: „Ich bin überzeugt,
daß es keinen herrlicheren Schatz gibt als einen Freund, der
verständig ist und es wohl meint; und von den beiden Stücken
hast du mir Beweise gegeben in meinen Angelegenheiten. Ich
schlage dir also jetzt Folgendes vor: Laß fahren Milet und die
neuerbaute Stadt in Thrakien und komm' mit mir nach Susa;
theile mit mir, was ich habe und fei mein täglicher Tischge-
nosse und mein Rath." Histiaios folgte dem Dareios nach
Susa, aber erkannte bald, daß er am Hofe des Königs unter
dem Schein der Ehre nur ein Gefangener war.
Als Tyrann von Milet war in des Histiaios' Stelle sein
Vetter und Schwiegersohn Aristagoras eingetreten, der Sohn
des Molpagoras. Zu diesem kamen im Jahr 501 verbannte Ari¬
stokraten aus Naros*) und baten, daß er sie in ihr Vaterland
zurückführe. Napos war die größte Insel unter den Kykladen
und von außerordentlicher Fruchtbarkeit, so daß die Alten es
*) Der Tyrann Lygdamis auf Naros (S. 93) war 524 von den
Spartanern gestürzt worden; die Adelsherrschaft aber, welche die Spar¬
taner damals einsetzten, ward wieder vom Volke umgestoßen.