Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

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eben Krieg führen, weil Ruhe den Germanen unerträglich ist, weil sie 
leichter in Gefahren berühmt werden, und ein großes Gefolge nur durch 
Gewalt und Krieg unterhalten werden kann. Krieg und Raub schaffen 
die Mittel zum Aufwande. Man kann sie nicht so leicht bereden, das 
Land zu bauen und die Ernte zu erwarten, als Feinde herauszufordern 
und Wunden zu erwerben, ja es scheint ihnen vielmehr träge und feige zu 
sein, das durch Schweiß zu gewinnen, was man durch Blut erhalten kann. 
„So oft sie nicht in den Krieg gehen, bringen sie ihre Zeit viel mit 
Jagen, noch mehr mit Nichtsthun zu, dem Schlaf und Schmaus ergeben. 
Die Tapfersten und Kampfbegierigsten thun nichts; die Sorge für Haus, 
Familie und Feldwirthschaft wird den Weibern, Alten und schwachen Leuten 
überlassen. Sie selbst sind müßig. Sonderbarer Widerspruch des Cha¬ 
rakters,- daß dieselben Menschen die Trägheit lieben und die Ruhe hassen! 
Es ist genug bekannt, daß die germanischen Völkerschaften keine Städte 
bewohnen: nicht einmal vereinigte Wohnungen dulden sie. Sie bauen sich 
abgesondert und an verschiedenen Orten an, je nachdem ihnen eine Quelle, 
ein Feld, ein Gehölz gefällt. Ihre Flecken legen sie nicht so an, wie wir, 
daß die Gebäude in Reihen zusammenhangen. Jeder umgiebt sein Haus 
mit einem freien Platze, sei es als ein Mittel wider Feuersgefahr, oder 
aus Unwissenheit im Bauwesen. Selbst Mauersteine und Dachziegel ge¬ 
brauchen sie nicht. Ihr Baustoff ist zu Allem unförmlich, ohne Ansehen 
und Schönheit. Einige Stellen überziehen sie ziemlich sorgfältig mit einer 
so reinen und glänzenden Erde, daß es der Malerei oder Farbenzügen 
ähnlich sieht. Sie pflegen auch unterirdische Höhlen zu graben und über¬ 
decken sie stark mit Dünger, zur Zuflucht im Winter und als Magazin 
für die Früchte. Durch solche Orte mildern sie die Strenge der Kälte; 
wenn einmal der Feind einfällt, verheert er nur offen daliegende Sachen, 
die unter der Erde verborgenen weiß er nicht, oder verfehlt sie eben da¬ 
durch, daß er sie erst suchen muß. 
„Die allgemeine Kleidung ist ein Rock, der mit einer Spange oder, 
in Ermangelung derselben, mit einem Dorne zugehäkelt wird. Uebrigens 
geht man unbedeckt und bringt ganze Tage am Feuerherde zu. Die Reich¬ 
sten unterscheiden sich durch eiu Kleid, das nicht, wie bei den Sarmaten 
oder Parthern, herabwallt, sondern knapp ist und an die einzelnen Glieder 
sich anschmiegt. Sie tragen auch Wildhäute; die dem Ufer (des Rheins) 
zunächst Wohnenden ohne Wahl, die Entfernteren, zu denen kein Putz durch 
Handel kommt, etwas ausgewählt. Die Weiber haben keine andere Tracht, 
als die Männer, außer daß sie sich öfter in leinene Kleider hüllen, sie mit 
Purpur schmücken und an den Obertheil der Kleidung keine Aermel machen. 
Den ganzen Arm tragen sie bloß; auch der nächste Theil der Brust ist 
offen. Gleichwohl ist bei ihnen die Ehe streng, die Sittlichkeit lobenswür- 
dig. Sie, fast die einzigen unter den Barbaren, begnügen sich mit Einer 
Frau, einige Wenige ausgenommen, die nicht aus Wollust, sondern aus 
Politik mehrere Weiber zu nehmen veranlaßt werden. Die Ausstattung
	        
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