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der Steuern und Abgaben den kleinen Grundbesitz sichern. Zehn Jahre
lang kämpften die Patricier gegen diese, ihre Macht an der Wurzel angrei¬
fenden Neuerungen, bis endlich, auf den Rath des alten Kriegshelden und
Staatsmannes Camillus, der Senat sich in das Unabänderliche ergab.
Die Beseitigung der Adelsvorrechte im Staate, die Umgestaltung der volks-
wirthschaftlichen Zustände, endlich die bürgerliche Gleichheit aller Stände,
das war die große Errungenschaft der licinischeu Gesetzgebung. Die
Sage von dem freiwilligen Tode des edlen Curtius, der einst in voller
Rüstung aus seinem Schlachtroß in einen auf dem Markte sich öffnenden
Schlund sprang, den zürnenden Göttern als werthvollstes Opfer zur Ver¬
söhnung, wird mit diesen Vorgängen in Verbindung gebracht, als sinn¬
bildliche Andeutung, wie durch die opferfreudige Hingebung der Bürger der
lange Zwiespalt in dem römischen Staate allein gesühnt werden konnte.
3. Roms Heldenzeit.
§. 1. Die Sliumitcrkricge.
Mit der zweiten Hälfte des 4. Jahrh. v. Ehr. begannen die mäch¬
tigen Kämpfe, welche die Herrschaft Roms über Italien begründeten;
die erste Eroberung war die des südlichen Etruriens. Während noch
einzelne Gallierschwärme die römischen Grenzen unsicher machten, verban¬
den sich die benachbarten Etruskerstädte T arg ui nii, Cäre und Falerii
gegen Rom in der Hoffnung die durch den gallischen Krieg geschwächte
Kraft des Staates zu ihrem Vortheil völlig zu brechen. Das Glück war
ihnen anfangs günstig. Nach einer für die Etrusker siegreichen Schlacht
fielen auf dem Markte zu Tarquinii über dreihundert gefangene Römer
den etruskischen Göttern zum blutigen Opfer. Aber die Vergeltung ließ
nicht lange auf sich warten. Der Diktator Marcius Rutilus rächte
die Niederlage der Römer seiner Seits durch einen glänzenden Sieg an
der Tiber; achttausend gefangene Etrusker wurden nach Rom gebracht und
358 Bürger von Tarquinii büßten mit ihrem Leben für die gemordeten
Römer. Die etruskischen Städte mußten den Frieden mit schweren Opfern
erkaufen.
Mit nicht weniger glücklichem Erfolg endigte ein Kampf gegen die
südlich wohnenden Völker, die Herniker und Latiner, wobei die neue
Heerordnung, welche Camillus eingeführt, der römischen Macht zu
großem Vortheil gereichte.
Der härteste Streit aber, welchen Rom um die Herrschaft Italiens
auszukämpfen hatte, galt dem Volke der Samniter, welches wir schon
früher als ein kühnes, kriegerisches Gebirgsvolk kennen lernten, an Zahl
die Römer übertreffend, an Tapferkeit und Kühnheit ihnen gleichstehend,