Full text: Die Geschichte des Alterthums (Bd. 1)

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VIII. Die Carthager. 
gen von 700,(>00 Puniern; im Norden aber gegen Sicilien hin setzte 
sich an diese Häusermassen die Vorstadt der Gürten und die der Tod- 
ten an, welche Letztere sich jetzt noch durch zahlreiche Gräberspuren ver- 
räth. Das war Carthago's Lage; das war die Stadt, nach der Le¬ 
gende ihrer jüngsten Stiftung gegründet non einer Unsterblichen, die 
erst später, wie die assyrische Semiramis, in eine sterbliche Dido um¬ 
gedeutet, als Himmelsgöttin, als Schutzgeist auf der Burg, der Wiege 
und dem Grabe ihrer Pflanzung, verehrt wurde. Mehr denn 1100 
Jahre von ihrer ersten Stiftung an gezählt, thronte hier Carthago als 
Schwester, dann Bundesgenossin und zuletzt als Herrscherin der übrigen 
phönicischen Pflanzstädte an Spanien's und Afrika's Gestade, innerhalb 
und außerhalb der Säulen des Hercules, „streitbar im Krieg und ge¬ 
segnet an Gut", wie Virgil sie feiert. „Streitbar im Kriege" gegen 
afrikanische Fürsten und Stämme, gegen das Hellenenthum, diesen Trä¬ 
ger einer freiern, fortschreitenden Menschhcitsbildnng, in Cyrene und 
auf Sicilien, endlich gegen Nom ob der Herrschaft über die damals 
ums Mittelmeer her concentrirte Welt, bis Carthago init seinen Par¬ 
teiungen und Söldnerschaaren besiegt durch die Eintracht der Quinten 
und die Bürgersoldatcn der Scipionen im Staube lag. „Einst gesegnet 
an Gut", denn seine Blüthe und Macht ruhte noch auf breiterer Grund¬ 
lage, als die seiner phönicischen Muttcrstadt, das heißt, nicht nur ans 
Handel, Schifffahrt und ausgedehnter Colonial-Verbindung, sondern auch 
auf Landgebiet und Ackerbau. Weniger bedeutend war die industrielle 
Thätigkcit der Carthager, aber doch z. B. in Verfertigung seiner Ge¬ 
wänder auf ihrer Insel Malta, so wie in ihren berühmten Färbereien 
mit schwärzlichem, violettem, hochrothem Safte der Pnrpurschnecken des 
Mittelmeeres und des atlantischen Oceans bedeutend genug, um ihre 
Unterthanen nach der Art milder und verständiger Regierungen an Ar¬ 
beit zu gewöhnen, sie hierdurch vor Dürftigkeit zu bewahren, und sic 
zu lehren, wie das Leben, statt es in thierischem Vegctircn zu vergeu¬ 
den, durch Aufsuchung und Bearbeitung der Naturschätze von Land und 
Meer gehoben und bereichert werden könne. — Kunst- und Naturpro- 
ductc auf eigenem Gebiete gewonnen, bildeten somit die Grundlage des 
weitverzweigten Handels, zu welchem Carthago, als Vermittlerin des 
Verkehrs zwischen Europa und Afrika durch seine günstige Lage auf der 
mittleren Breitenlinie des Mittelmeeres, so natürlich berufen war. In- 
deß daher seine Handelsbarken vom kunstfertigen ägyptischen Alexandria 
an bis zu den reichen Gold- und Elfenbcinländern der Aethiopen oder 
Neger die afrikanischen Küsten befuhren, bewegten sich zwischen der Stadt 
selbst und den wichtigsten Punkten des afrikanischen Binnenlandes zahl¬ 
reiche Karawanen, gründete Carthago zahlreiche Niederlassungen und 
andere Anstalten zur Unterhaltung und Erleichterung dieses Verkehrs, 
zog es namentlich durch die Culturländer seines Gebiets die gepflaster¬ 
ten Straßen, worin die Römer Schüler ihrer Gegner wurden, brachte 
so Afrika's verschiedene Bewohner einander näher, milderte durch diesen 
Völker einigenden Verkehr die abstoßende Einseitigkeit der Barbaren,
	        
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