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X. Die makedonischen Reiche.
griechische Heer an sich aufzulöscn, und der Abzug der Aetoler bewirkte
eine gefährliche Schwächung. Auch verloren die Griechen an Leosthe-
nes, der bei einem Ausfälle der Macedonier blieb, einen tüchtigen Feld¬
herrn. Da erschien, von Antipater zu Hülfe gerufen, Leonnatus in
Thessalien. Auch seiner wurden die Griechen, von Lcosthenes' Nachfol¬
ger, dem Athener Antiphilus, geführt, noch Meister und er verlor selbst
das Leben. Zu gleicher Zeit schlug Phocion ein an der attischen Küste
bei Rhamnus gelandetes macedonisches Heer. Nun aber kam eine zweite
Unterstützung ans Asien, Kraterus mit dem Heere der entlassenen Be¬
teranen, und in einer Schlacht bei Kranon im Jahre 322 siegte die
vielfach bewährte Kriegstüchtigkeit der alten Maeedonier und die Ge¬
schicklichkeit ihrer beiden Feldherren über das bunt gemischte und lose
Heer der Griechen. Antipater erklärte der um Frieden bittenden Ge¬
sandtschaft, er werde nicht mit den Griechen im Ganzen, sondern nur
mit deren einzelnen Staaten verhandeln. Nach und nach zerstreute sich
das griechische Heer, die thessalischen Städte ergaben sich und Antipater
rückte durch die Thermopylen, um zunächst Athen zu züchtigen. Der
den Macedoniern zugethane Phocion, der auch diesen Krieg widerrathen
hatte, vermittelte den Frieden. Athen erhielt eine macedonische Be¬
satzung in dem Hafenplatze Munychia und mußte seine Demokratie durch
Beschränkung des vollen Bürgerrechts auf eine gewisse Vermögensklasse
aufhcben. Hieran knüpfte sich die Verbannung der dem Antipater mi߬
fälligen Bürger. Unter ihnen befand sich Demosthenes, der jetzt seine
Laufbahn endete. Er war nach Kalauria geflohen und hatte keine Ge¬
legenheit zu weiterer Flucht gefunden. Hier erreichten ihn Soldaten
des Antipater, und er entzog sich der Gefangennehmung, indem er durch
Gift, das er aus einer Schreibfeder sog, sich den Tod gab. Im übri¬
gen Griechenland leisteten nur die Aetoler noch Widerstand. Von An¬
tipater in ihren Bergen ausgesucht, begegneten sie ihm in mörderischem
Kampfe. Doch ehe er ihres Landes Herr geworden, riefen ihn Ver¬
wicklungen der allgemeinen Verhältnisse des großen Reiches von diesem
Kampfplatze ab.
Noch entschiedener als Antipater wurde Ptolemäus dem Getümmel
entrückt, das sich auf dem weiten Schauplatze von Alexander's Siegen
um die Erbschaft seiner Macht erhob. Mit einer vorsichtigen Schonung
der alten Verhältnisse ordnete er die Verwaltung Aegyptens, gab dem
Lande Glück und Wohlstand und beförderte in Alexandrien, wo er sei¬
nen Wohnsitz aufschlug, griechische Cultur und Gelehrsamkeit. Die grie¬
chische Landschaft Cyrene ließ er erobern und über Cypern behauptete
er die Herrschaft. Dagegen betheiligte er sich an den Kämpfen der
Diadochen nur so weit, als die Sicherheit seines eigenen Landes ihn
zwang, der Entstehung einer überwiegenden Macht im übrigen Reiche
zu begegnen. Sein junges Reich hatte Ptolemäus zunächst gegen Per-
dikkas zu vertheidigen. Zu dieser Vertheidigung war er gcnöthigt durch
seine Theilnahme an dem Kampfe des phrygischen Satrapen Antigonus
gegen Perdikkas. Der Kampf zwischen beiden entsprang aus dem Ge-