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XI. Die Römer.
butten über solche Hartherzigkeit brachte die äußerste Erbitterung her¬
vor, so daß ein Angriff des Volkes auf Mareius, als er aus dem
Senate herausging, nur durch die Tribunen selbst abgewaudt wurde,
die ihn vor das Gericht des Volkes luden. Als die Tribunen dazu die
Genehmigung des Senats begehrten, glaubte dieser wegen der ganz
aitßerordentlichen, durch die Hungersnoth höchst gefährlichen Aufregung
der ärmeren Classen dieselbe nicht versagen zu dürfen, trotz des heftigen
Widerstandes des Beklagten, dann des Appius Claudius und anderer
angesehener Senatoren. Dabei hofften viele insgeheim, durch das Mit¬
stimmen ihrer Clienten und sonst ihnen verpflichteter Plebejer einen
günstigen Erfolg für Marcius zu erwirken. Dieser selbst erwies sich
bis ans Ende stolz, starr und ungebeugt, und erklärte, daß er das Recht
der Plebejer, über ihn zu richten, durchaus nicht anerkenne. Nichts
desto weniger wurde der Gerichtstag angesetzt, und die Plebejer, insbe¬
sondere auch vom Lande, erschienen in großer Anzahl, und stellten sich
nach ihren Tribus auf, deren jetzt nach der Gebietsverkleinernng durch
Porsenna noch 21 waren. Vor diesen wurde er wegen Angriffs auf die
Rechte der plebejischen Gemeinde angeklagt und durch die Stimmen von
zwölf Tribus zur Ausstoßung aus dem Staatsverbande vernrtheilt,
während neun Tribus seine Unschuld anerkannten. Er ging zu den von
ihm so oft besiegten Volskern, um mit diesen seine Vaterstadt zu be¬
kriegen. Dieselben nahmen ihn freudig auf, und stellten ihn bald an
die Spitze ihrer Mannschaft, mit der er eine ganze Reihe kleiner Städte
einnahm, die unter römischer Hoheit oder Bundesgenossenschaft standen,
und unwiderstehlich auf Rom selbst vordrang. Hier wollte der Senat,
daß die Consuln mit Heeresmacht ihm entgegenzögen; aber das Volk
wollte die Waffen nicht ergreifen, sondern forderte vielmehr mit Unge¬
stüm den Frieden. So mußte man sich bequemen, Gesandte hinaus¬
zuschicken, ihm eine ehrenvolle Rückkehr anzubieten und Frieden nachzu¬
suchen. Den wollte aber Mareius nur unter harten Bedingungen
gewähren, die man nicht annehmen konnte. Die Priester der Stadt,
die ebenfalls zu Mareius hinauszogen, richteten mit ihren Bitten gleich
wenig aus. Endlich aber machten sich die römischen Edelfrauen, an
ihrer Spitze die Mutter und die Gattin des unerbittlichen Mannes,
letztere mit seinen zwei kleinen Söhnen, auf den Weg ins volskische
Lager, wo denn Veturia nicht durch Weinen und Flehen, sondern durch
ernste und strafende Vorstellung des Unrechts, das er an der Vaterstadt
und an den Seinigen verübe, seine starre Erbitterung endlich besiegte.
Er ließ Mutter, Weib und Kinder mit den Frauen nach Rom zurück¬
gehen, und brach auf, rückwärts ins Volskerland*). Als man das von
*) Es ist unglaublich, daß die Volsker die Führung ihres Heeres einem frem¬
den Flüchtling anvertraut, und noch weniger, daß sie aus dessen Wink den
Krieg nahe am Ziele aufgegeben hätten. Hat also Coriolan die Römer be¬
kriegt, so scheint er dies nur auf eigene Hand als Anführer von Freischaa-
reu (der in der Verbannung lebenden Römer) gethan zu haben, vielleicht in
Verbindung mit den Volskern. Vergl. Schwegler, R. G. II. 377 ff.