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XI. Die Römer.
Natur, als durch die Feindseligkeit der anwohnenden Völker erschwert,
deren Angriff indeß durch die engen Wege, durch die überhängenden
Felsen und Berge und andere derartige Oertlichkeiten nicht wenig unter¬
stützt wurde. Der Herabmarsch dagegen wurde von Menschen nicht
beunruhigt, jedoch machten sich nun die Schwierigkeiten und Hindernisse
der Natur um so empfindlicher geltend. Es war Anfang Octobers.
Deßhalb stellte sich auf der Höhe bereits der Winter ein, und der fal¬
lende Schnee machte die Wege unkenntlich und unsicher. Fünf oder sechs
Monate nach seinem Ausbruche von Neu-Carthago traf Hannibal im cis-
alpinischen Gallien, im Gebiete der befreundeten Jnsubrer, mit 20,000
Mann zu Fuß und 6000 Reitern ein.
Ein Reitergefccht, worin er am Ticinus den Consul Scipio be¬
siegte, welcher von Massilia nach Italien zurückgescgelt war, uöthigte
nicht nur die Römer zum eiligen Rückzuge über den Po und hinter die
Trcbia, sondern gewann auch Hannibal schon die Gemüther der Gallier.
Zwar war mittlerweile der andere römische Consul, Sempronius, mit
seinem Heere aus Sicilieu zurückberufen und zu seinem Collegen gesto¬
ßen. Allein er ließ sich, wider des weiscrn Scipio Rath, von Han-
nibal zu der blutigen Schlacht an der Trebia verleiten, in welcher
nicht nur die Blüte des römischen Heeres auf dem Kampfplatze blieb,
sondern nach welcher auch die römischen Feldherren genöthigt wurden,
sich nach Placentia und Cremoua zurückzuziehen. Durch diese Bewe¬
gung ward Ligurien und der ganze Landstrich südlich vom Po dem Han-
uibal Preis gegeben.
Im Anfänge des Jahres 217 brach Hannibal, verstärkt durch zahl¬
reiche gallische und ligurische Miethtruppcn, und jetzt bereits über 50,000
Mann stark, aus den Winterquartieren auf. Anstatt des gewöhnlichen
Weges den schwicrigern, und deßhalb von den Römern nicht vorausge¬
setzten Weg durch die Sümpfe des Arno wählend, umging er den ihm
zunächst bei Arretium gelagerten Consul Flaminius in dessen linker Seite,
verleitete hierdurch, so wie durch heftige Verwüstung der ganzen Gegend,
diesen Feldherrn, ihm in Eilmärschen nachzurücken, und schlug in den
Engpässen am See Trasimenus die Römer bis zur Vernichtung.
Diese entscheidende Schlacht öffnete dem Hannibal ganz Italien und
gestattete ihm, seinen Marsch nach Unter-Italien zu richten. Zugleich
wurde durch sie, durch deu ungeheuren moralischen Eindruck, welchen sie
hervorbrachte, und die freundliche Behandlung, welche die in ihr gefan¬
genen römischen Bundesgenossen bei Hannibal fanden, zu dem spätern
Abfalle dieser lctztern bereits der Grund gelegt. Hannibal zog hierauf
längs dem Ufer des adriatischen Meeres in langsamen Märschen nach
Apulien, nachdem er seinem Bruder Hasdrubal den Befehl gesandt hatte,
im künftigen Jahre gleichfalls in Nord-Italien einzufallen.
Die Römer aber griffen auf die Nachricht von dem schweren Un¬
fall am trasimenischen See zu dem gewöhnlichen Auskunftsmittel in be¬
sonders gefährlichen Zeiten: sie wählten einen Dictator. Die Wahl
fiel auf Q. Fabius Maximus (einen Nachkommen jenes Helden der