Gebiet t> e v Oder.
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gebildet, die zuweilen nur durch schniale Landengen in Zusammenhang stehen.
Einige Theile der Insel haben sumpfige Stellen und Ueberflnß au Sand und
Feuersteinen, andere erfreuen sich schöngestalteter Felsen, grüner Hügel und lachen¬
der Fluren, vorzüglich die Halbinseln Jasmund und Wittow. Da nährt sich der
Bauer reichlich durch Ackerbau, Viehzucht und Fischerei. Auf der ganzen Insel
zählt man 27000 E. Der nördlichste Punkt der Insel und Deutschlands ist das
Vorgebirg Arkoua auf Wittow, nur von 200' Höhe, aber von herrlicher Aus¬
sicht und dem Freunde der Völkergeschichte wichtig, da hier im Mittelalter eine
Veste der Wenden und der Tempel ihres Lichtgottes Swantewit stand*). Noch
sieht man Ueberreste des Walles. Höher als der Hügel Arkonas erhebt sich auf
Jasmund die Stubbenitz. Bestandtheil dieses kleinen Gebirgs ist Kreidefels
mit Feuerstein gemischt; ein 2 Meilen langer stattlicher Bnchwald überdeckt seine
östliche Hälfte. Hat man ihn durchschritten, so steht man plötzlich auf einem Vor¬
sprung des Bergs, der an 2 Seiten steil 380' tief abfällt. Nur dumpf hört
man das Brausen des Meeres herauftönen. Dieser steile Abschnitt heißt die
Stubbenkammer. Rückwärts zieht sich der Fels noch hinauf zum König¬
stuhl, dem obersten Platze der Stubbenitz, 543' über der Meeresfläche. Da die
Wellen des Meeres unaufhörlich rauschen und branden, so wird immer mehr von
dem Fuße des Felsen abgespült; man sieht es an der milchigen Farbe des Wassers,
worin die Kreide sich auflöst, während die Feuersteine sich in Bänken am Strande
aufhäufen. Auf dem Rückwege durch den Buchenwald hat der Wanderer noch
den schwarzen See zu beachten, in dessen Wasser sich die beschattenden Buchen
und Ueberreste eines Erdwalles spiegeln, der vor Zeiten den See umgeben hat.
Man meint, hier sei, lange bevor Wenden auf die Insel kamen, die altdeutsche
Göttin Hertha verehrt worden. In andern Gegenden Rügens gibt es eben¬
falls Alterthümer, z. B. zwischen Jasmund und der Stadt Bergen, wo in öder
Haide sich Hünengräber vorfinden, wie in Holstein. Auf einer andern Stelle
wird ein großer Granitblock gezeigt mit künstlichen Vertiefungen; er soll in heid¬
nischer Zeit zum Opferstein gedient haben. Aehnliche sieht mau im Riesengebirg,
im Harz, in Franken und andern Gegenden Deutschlands, und merkwürdiger als
der in Rügen sind gewiß die 3 mächtigen Steine auf dem nackten Corneliusberge
bei Helmstädt im Gebiete der obern Aller; zwei dieser Felsstücke liegen so, daß
mau hindurchgehen kann, und der dritte oben darüber, und von so entsetzlicher
Schwere, daß nur mit der größten Anstrengung Menschenhände ohne künstliche
Werkzeuge unserer Zeit ihn hinausheben konnten.
Orte: Muskau an der Lausitzer Neiße, berühmt durch den Park deö Für¬
sten Pückler. Frankfurt an der Oder mit 28000 E. und lebhafter Schif¬
fahrt, Geburtsort Heinrichs v. Kleist; Denkmal Leopolds von Braunschweig der
bei Rettung Unglücklicher in der Oder das Leben verlor. In der Nähe: Kun-
nerSdorf, wo Ewald von Kleist aus Ponimeru, ebenso bekannt durch den
„Frühling" als durch seine Tapferkeit, 1759 in der Schlacht gegen die Russen
*) Ein anderer Obergott der Wenden war der finstere Radegast, vorzüglich
verehrt im Tempel zu Rethra unweit dem heutigen Strelitz.