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Das britische Reich. 
Nun etwas über die Vergnügungen in London, zuerst 
über das Theater. Bei uns Deutschen wird der Schauspieler 
am meisten gelobt, der die Natur am meisten nachahmt. Nicht 
so in England. Hier muß ^er die Natur überbieten, und besonn 
ders im Trauerspiel die heftigsten Leidenschaften recht grell darstcl/ 
len. Der wüthendste Ausdruck des Leidens, der laute Schrei des 
körperlichen Schmerzes, alle Verzerrungen des Wahnsinns, das 
krampfhafte Zucken des Sterbenden, nichts wird dem Publicum 
ertasten, dag dann am meisten Beifall klatscht, wenn es vor Schre/ 
cken schaudert. Dabei muß der Schauspieler ganz langsam Satz 
für Satz sprechen, damit man ihn in dem großen Hause überall 
verstehe. Am unübertrefflichsten aber sind die englischen Schau/ 
spieler im Postenspiel, und manche brauchen sich nur zu zeigen, 
um den rauschendsten Beifall einzuerndten. Das Theater fängt 
um 7 Uhr an, ist aber selten vor Mitternacht zu Ende; denn es 
müssen jeden Abend wenigstens 2 Stücke gegeben werden. Die 
Logen sind geräumig, und haben mehrere Reihen Bänke hinter 
und über einander. Da das ganze Haus glanzend erleuchtet ist, 
so ist der Eintrittspreis weit höher als bei uns, und selbst ein 
Platz im Parterre kostet über einen Thaler. Recht schön nehmen 
sich die mit geputzten Damen gefüllten Logen aus; denn hier muß 
jede im vollen Putze erscheinen; in einem tiefen Hute wird keine 
eingelassen. Da der Eintritt so theuer ist, so warten Viele bis 
zu Ende des dritten Acts; denn da kann man für das halbe Ein» 
trittsgcld hinein; aber die dann erst kommen, pflegen zur schlech¬ 
ten Gesellschaft zu gehören. Welche Pracht, wenn man in daS 
Theater von Drurylane (Drurilähn) tritt, und uns wenigstens 
50 krystallene Kronleuchter und mehrere Hunderte von Wachslich/ 
tern, die ringsum auf Wandleuchtern brennen, cntgegenlcuchten! 
Und doch, wie wird dieser Glanz überstrahlt, wenn der Vorhang 
aufrollt, und das Theater wie im hellsten Sonnenscheine glänzt! 
Noch prächtiger erscheint das Theater von Coventgarden (Eo- 
wentgärdin), weil viele Spiegel die strahlenden Kerzen ins Un/ 
endliche vervielfältigen. 
Außer den großen Spatziergängen, dem Hyde-Park und 
St. James-Park, die wir schon genannt haben, giebt eS 
dicht bei London noch zwei: der Green-Park (Grihn-Pärk) 
zwischen jenen beiden, der aber aus nichts als einem großen Gras/ 
platz besteht, und der neu angelegte P r i n c e / R e g e n t - P a r k 
an der Nordseite von Westminster. Aber waS für die Pariser 
Tivoli und Frascati ist, das sind für die Londner Vau xh all und 
Ranelagh (Wahrhal und Rähnlä). „Reizender, blendender, 
feenhafter," sagt Madame Schopenhauer, „läßt sich nichts den/ 
ken, als Vauphall, ein in Southwark, nicht weit von der Themse 
gelegener Garten (er ist der Westminstcrabtei und dem Parla¬ 
mentshause schräg ge^knüber, auf dem rechten Themseufer, aber
	        
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