DaS Königreich Spanien. 
309 
Strenge zu beobachten, und dadurch schon glauben sie den Dei- 
fall Gottes hinlänglich zu erwerben. Was dabei besonders auf¬ 
fällt, ist, daß sic Gott und Jesus ihre Majestät nennen. Wird 
ein Geistlicher zu einem Kranken gerufen,' ihm das heilige Abend¬ 
mahl zu ertheilen, so läßt er sich in einer Sänfte hintragen. 
Vorauf geht der Küster mit einer Glocke. Sobald diese auf der 
Straße ertönt, so ruft jeder: „Dios, su mayestad!“ (Gott, 
Ihre Majestät!), kniet augenblicklich nieder, und schlägt an seine 
Brust. Sogar in jeder muntern Gesellschaft verstummt der Scherz 
augenblicklich, und jeder stürzt auf die Knie, bis sich das Klin¬ 
geln in der Ferne verliert; dasselbe geschieht, wenn man bei Ti¬ 
sche sitzt, und wer im Bett liegt, muß sich wenigstens aufrichten. 
Am sonderbarsten erscheint die Wirkung der Klingel im Schau- 
spielhause. Kommt der Geistliche bei demselben vorbei, so tritt 
die draußen stehende Wache ins Gewehr, die Trommel wird ge/ 
rührt, und alle Soldaten fallen auf das rechte Knie. So wie 
man die Trommel im Schauspielhause Hort, erschallt von allen 
Seiten der Ruf; „Dios! Dios!u (Gott! Gott!), und Zeder 
kniet nieder, wo er steht. Die Stimmen der Schauspieler, das 
Klappern der Castagnetten beim Fandango verstummt so lange, 
bis man die Klingel nicht mehr hört. Dann aber setzen die Schau¬ 
spieler mit dem vorigen Lärm die Unterhaltung fort. Das heißt 
Gottesdienst! — Wenn wir unsere Fahrt längs der Seeküste von 
Cadiz in nordwestlicher Richtung fortsetzen, so finden wir das 
Städtchen 
Palos, an dem weiter nichts zu merken ist, als daß der 
Entdecker Colombo 1492 von da aus seine erste Fahrt zur Ent¬ 
deckung Amerika's antrat *). Gerade östlich von Palos liegt 
Sevilla (Sevilja), eine große Stadt mit 100,000 Ein¬ 
wohnern , in einer schönen, großen Ebene, am linken Ufer des 
Guadalquivir. Schöne, hohe Mauern, schon von den Römern 
erbaut, mit 166 Thürmen versehen, schließen sie ein. Die Stra¬ 
ßen sind eng und winklig, aber die Häuser meist gut. Fast alle 
haben rings um den Hof Gallerien, auf welche sich die Thüren 
der Zimmer öffnen. Milten im Hofe steht ein Springbrunnen. 
Zm Sommer überzieht man diese Höfe mit einem großen Tuche, 
und wohnt in ihnen wie in einem kühlen Zimmer. Diese Ge¬ 
wohnheit findet man in mehreren Städten Andalusiens, nament¬ 
lich auch in Cadiz. Das sehenswürdigste Gebäude ist der Al- 
cazar (Alkassar). So heißt hier der alte maurische Königs- 
pallast, der noch recht schöne große Säle und Zimmer enthält, 
die aber immer mehr verfallen. Obgleich Sevilla nicht am Meere 
liegt, so ist sie doch eine ansehnliche Handelsstadt. 
♦) S- mein Lchrb. 
LH. 2., S.219. 
der Weltgeschichte für Töchterschulen, 2te Au6g>
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.