Full text: Griechische Geschichtsschreiber, Philosophen ... [et cetera] und Römische Schriftsteller in Übersetzungen (Teil 2, [Schülerband])

2) Rede des Marius. ESall. de bell. Jug. 85.) 
Der Führer des Proletariats, C. Marius, ist 107 vor Chr. zum Konsul gewählt. 
Bevor er nach Afrika abreist, um den Oberbefehl im Jugurthinischen Kriege zu über— 
nehmen, hält er in Rom folgende Volksrede: 
„Quiriten, ich weiß, daß die meisten Herren bei der Bewerbung um das 
höchste Amt die guͤte Seite herauskehren, nachher die schlechte: daß sie anfangs 
fleißig, bescheiden, maßvoll sind, später aber in Untätigkeit und Uebermut leben. 
Ich habe den entgegengesetzten Grundsatz; denn in demselben Maße, wie der 
Staat mehr wert ist als die Staatsämter, muß die Sorgfalt größer sein, mit 
welcher der Staat verwaltet, als mit welcher jene Aemter begehrt werden. 
Ich weiß recht wohl, eine wie große Aufgabe ich mit dem Konsulat über— 
nehme, das ihr mir verliehen habt. Zu Zeit den Krieg vorbereiten und 
den Staatsschatz schonen, die Leute zum Kriegsdienst zwingen, denen man nicht 
wehe tun möchte, hier und im Felde alles een und dazu noch auf neidische, 
unruhige Parteileute stoßen: das ist, Quiriten, eine überaus schwierige Tätigkett. 
Dazu kommt folgendes: Wenn andere einen Fehler machen, dann bringt ihnen 
ihr alter Adel, die tapferen Taten der Vorfahren, der Reichtum ihrer Verwandten 
und Verschwägerten, die zahlreichen Klienten, alles das wirksamen Schutz. Meine 
Hoffnungen ruhen in mir selbst, und ich muß sie schützen durch Mannhaftigkeit 
und Unbescholtenheit; alles andere ist schwach. — Auch das sehe ich, daß äller 
Augen auf mich gerichtet sind: die gerechten und guten Bürger sind mir zugetan; 
denn ihnen gilt das Staatswohl am höchsten; der Adel u eine Gelegenheit, 
mir zu schaden. Um so mehr muß ich mich anstrengen, daß ihr nicht in die 
Schlingen des Adels fallt und daß jene sich im Erfolg getäuscht sehen. Und 
dies zu tun, fällt mir nicht schwer; denn so habe ich von Kindheit an bis heute 
gelebt, daß ich an alle Strapazen und Gefahren gewöhnt bin. Es ist nicht 
meine Absicht, Quiriten, nach Erlangung des Konsulats das aufzugeben, was ich 
früher umsonst tat. Für jene ist es schwierig, im Amt uneigennützig zu sein, 
und sie haben sich nur während der Amtsbewerbung als rechtschaffene Leute ge— 
u e habe stets so gelebt. und es ist mir zur Natur geworden, recht zu 
andeln. 
Ihr habt mir den Krieg gegen uurtn übertragen, und der Adel ist sehr 
ungehalten darüber. Ich bitte euch, überlegt es r ob es nicht besser ist, 
einen von der Welsclique zu diesem oder einem ähnlichen Geschäft zu schicken, 
einen Mann mit altem Stammbaum, vielen Ahnenbildern und ohne Kriegs— 
erfahrung: natürlich wird er ja von allem keine Ahnung haben und 833 
nen und sich einen aus dem Volk als Gehilfen miknehmen. Denn so 
geschieht es meistens, daß derjenige, den ihr zum Befehlshaber macht, sun selbst 
einen anderen Befehlshaber sucht. Ich habe es selbst erlebt, wie solche Herren, 
nachdem sie Konsuln geworden waren, anfingen, die Taten der Vorfahren und 
die Kriegsvorschriften der Griechen zu studieren: in verkehrter Reihenfolge han— 
delnd! Denn, wenn auch die Amtsführung später ist als der Antrilt des Amtes, 
so muß doch das Tun dieser Pflichten ihrem wirklichen Wesen und der vraktischen 
Vorübung nach früher kommen. 
Vergleicht nun, Quiriten, mit ihrem Hochmut mich, den Emporkömmling. 
Was jene zu hören oder zu lesen pflegen, das habe ich teils gesehen, teils 
getan; was jene aus idern lernen, das habe ich durch praktischen Kriegsdienst 
gelernt. Und jetzt bedenkt, was mehr wert ist: Taten oder Worte! Sie verachten 
in mir den ich ihre Schlaffheit; mir wird das Glück vor— 
geworfen, ihnen ihre Schandtaten. Ich kenne keinen Unterschied der Natur (der 
Geburt) und erklare, daß der Tüchligste den höchsten Adel hat. Und 
wenn jetzt die Väter des Albinus und des Bestia gefragt werden könnten, ob sie 
lieber mich oder jene als Söhne hätten, würden sie nicht antworten, daß sie sich 
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