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Italie n.
sind die Freunde, der Trost, die letzte Hülfe jedes Unglücklichen,
der zum Tode verurtheilt worden ist. Die letzten drei Tage sei/
nes Lebens sind sie beinahe seine einzige Gesellschaft. Sie be,
reiten ihn zu der Neise in das dunkle Land, stillen alle seine
Wünsche, begleiten ihn auf den Nichtplatz, und führen ihn durch
hoffnungsreiche Gebete und Vorstellungen im entscheidenden Au-
genblicke der andern Welt zu. Aus des Nachrichters Händen em-
pfangen sie den Leichnam, und senken ihn unter frommen Ge/
sängen ins Grab. Aber damit ist ihr Amt noch nicht aus. Sie
sind auch die Väter derer, welche der Unglückliche hülflos hinter¬
lassen hat, erziehen seine Söhne, verheirathen seine Töchter, und
unterstützen seine Witwe mit Rach und That.
Merkwürdig ist das .Campo santo (heiliges Feld), der
Begräbnißplatz. Man begräbt in Neapel die meisten Todten in
die Kirchen. Die aber nicht dorthin kommen, werden nach dem
Campo santo vor der Stadt gebracht. Mehrere Cypreffenallecn füh¬
ren dorthin. Es ist ein großer viereckiger Platz, mit einer Mauer
umgeben. Hier befinden sich 366 ausgemauerte Gruben, deren
jede mit einem genau paffenden Steine verschlossen ist. Jeden
Tag steht eine andere offen, um die Opfer des Todes aufzuneh¬
men. „Es war an einem schönen Abend, als ich einst auf der
Mauer dieses Gottesackers saß. Die Sonne warf eben ihre letz¬
ten Blicke auf die schöne Erde. Ein Rosenflor lag auf den Fer¬
nen ; ein mildes Purpurfeuer glänzte im Westen über das misenir
schc Vorgebirge. Die Cypreffen hoben sich in dieser Färbung;
die weißen Mauern des Gottesackers schimmerten in hoher Be¬
leuchtung. Es war mir, als ob der Vorabend eines großen Mor¬
gens wäre für die, welche hier ruhten." Alle, die an einem
Tage sterben, werden in dieselbe Grube geworfen, und am Abend
wird diese geschloffen, und für den folgenden Tag eine neue ge¬
öffnet. Erst nach einem Jahre wird jede wieder aufgedeckt, dann
sind die vorjährigen Leichen durch den darauf geworfenen Kalk
bereits vollends verwest.
Jetzt wollen wir einige Ausflüge in die Umgebungen
von Neapel machen. Man findet hier interessante Punkte,
sowohl wenn wir in der Richtung nach dem Vorgebirge Mi¬
seno , als nach d«m der Minerva reifen. Wir wählen die
erstere Richtung zuerst. *
Wir fahren auf einem der vielen in Neapel auf den öffent¬
lichen Plätzen stehenden zweirädrigen und einspännigen Fuhrwerke
pfeilschnell über das unvergleichliche Lavapflaster die Chiaja ent¬
lang. Da, wo diese herrliche Straße aufhört, also immer noch
von Häusern umgeben, stellt sich unS ein Felsen in den Weg.
Durch ihn ist eine Straße hindurch gearbeitet, ein Riesenwerk und
uralt; denn schon die alten Römer sprachen von ihr. Dieser