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Nogar, einem Arme der Weichsel, ' liegt ferner das
durch mehrere Merkwürdigkeiten berühmte Marien¬
burg, eine Stadt von 6000 Einw. in äußerst frucht¬
barer Gegend. Das Merkwürdigste derselben ist ein schö¬
nes Schloß, welches in frühern Zeiten den deutschen Rit¬
tern gehörte, und deren Hochmeister oder Vorsteher hier
wohnte. Diesen Rittern gehörte nehmlich vor vielen
Jahrhunderten fast die ganze Provinz und auch ein Theil
von Ostpreußen, und sie haben sich durch Ausrottung des
Heidenthums und durch die Verbreitung der christlichen
Religion, so wie auch durch Anlegung großer Dam¬
me, durch Entwässerung und Urbarmachung vieler Süm¬
pfe um die Landschaft sehr verdient gemacht, bis sie endlich
von ihren Nachbarn den Polen unterdrückt und vertrieben
wurden. Außerdem sollt ihr aber auch noch hierbey die Ge¬
schichte eines Mädchens, gewöhnlich das Mädchen von
Marien bürg genannt, kennen lernen und erfahren.
Wie wunderbar und verborgen oft die Wege der Vorsehung
sind. Ein armes Bauermadchen, Namens Martha,
lebte hier ungefähr im Jahre 1700 in den Diensten eines
Geistlichen und hatte sich mit einem schwedischen Drirgo-
ner verlobt. Dieser mußte jedoch plötzlich zu Felde ziehen
undM a rr ha zurücklassen. Unterdessen nahmen die Russen
!m Jahre 1712 die Stadt ein, und machten die Ein¬
wohner zu Gefangenen. Martha kam nun in die
Dienste eines russischen Generals, wo sie der damalige
russische Kaiser Peter I. zu sehen bekam. Da sie sich
durch Schönheit auszeichnete und viel Verstand besaß,
nahm der Kaiser sie in sein Haus, und machte sie spa-
rerhin zu seiner Gemahlin und Kaiserin, wo sie Ka¬
tharina genannt wurde. Welch' eine Erhöhung und
Auszeichnung! Aber sie vergalt es auch ihrem Gemahl.
Denn als er einst im Kriege von den Türken so einge¬
schlossen war, daß er nichts vor sich sähe als Tod oder
> 'Gefangenschaft, sammelte Katharina alle ihre 3uwe-