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da ich die schönen Tiere am Wagen sah, und tröstete mich wahrlich mit diesem Gedanken
für den fleißigen Mann, dessen Andenken ich ehrte. Er war mir aber nicht sobald nahe,
so sah ich, daß der Wagen gewiß sein war; ich sah den alten Schuhmacher leibhaftig am
ganzen Zug; die Halftern der Tiere waren von rotem und weißem Leder, die Zotteln
von Hanf an ihren Ohren waren ebenso schuhmachersch, häufig mit Leder umwunden,
ebenso das Kopfkissen unter dem Joch, und an diesem glänzte mit neuem Rötel der Name
des Meisters H. L. und die Jahreszahl des Joches 1780 und auf beiden Seiten ein
schöner bäurischer Schnörkel, und die Kühe selber schienen hoffärtig mit den schönen
Hörnern ihre Köpfe hinauf und hinunter zu schütteln, sie waren aber auch so reinlich
und geputzt wie krankes Judenvieh, das auf den Markt fährt; der Wagen war wie
gewaschen, und oben und unten waren die Schinnen mit Rötel geziert, Ketten und
Eisenwerk waren kohlschwarz, und der Wagen hatte alle Zugaben, was man notwendig
brauchte, und was minder notwendig war; er selber hatte eine Geißel in der Hand so
schön als ein Kutscher, der im vollen Staat fährt; aber er war dabei auffallend noch
der alte Schuhmacher, daß ich im Augenblick sah, daß, ob er wohl Kühe und Wagen und
vielleicht auch Wiesen bekommen haben mag, bei alledem dennoch bei seinem Handwerk
geblieben und kein Bauer geworden.
Es tröstete mich auch alsobald für ihn, als ich sah, daß es nur Kühe waren, mit
denen er fuhr; denn diese verderben einen Handwerksmann auf dem Lande nicht leicht,
wenn er sie nur melkt, wenig mit ihnen zu Acker fährt und gar nicht mit ihnen handelt,
mit den Wiesen ist's gleichfalls nicht anders, sie können neben einem Handwerk gar leicht
bestehen, wenn nämlich das Handwerk ein vernünftiger Mann treibt. — Aber mit Roß
und Stieren, da gnad' Gott dem gemeinen Handwerker, wenn er hier hineinsetzt und
mit solchen Tieren große Acker und viel Korn baut; seine großen Acker und seine vielen
Garben können ihm in einem Jahr die Schuhe und Stiefeln alle, die er in zehn Jahren
gemacht hat, wieder auffressen, und es ist sicher nicht gut, es allgemein zu verhehlen,
daß es an vielen Orten um den Kornbau ein kitzliches und ganz eigenes Ding ist, und daß
ein Handwerker selten Recht hat, wenn er sich einen Bauernhof aufladet; denn es braucht
jetzt gar grobe und starke Leute für den Kornbau, und es gibt bei dieser Arbeit entsetzlich
viel zu tragen und zu leiden, und ich muß es geradezu sagen: wenn Linguet schon
eine böse Zunge hat, so wird seine Unwahrheit über den Brotbau dennoch in dem Grade
wahr werden, als der arme Bauer in der reichen Welt täglich härter nach dem
Maßstab behandelt wird, welchen der reiche Bauer in der armen Welt hätte
tragen können und nicht getragen hat.
Aber das gehört nicht hierher. — Ich grüßte meinen Schuhmacher freundlich und
fragte ihn, ob er Heu einführen wollte. Er sieht's ja, war seine ganze Antwort, und dabei
hielt er keinen Augenblick still, sondern ging genau wie seine Kühe mit dem Wagen weiter,
und ich kam auch bald auf den Hügel, von dessen Höhe man auf das Häuschen hinab
sieht, in welchem der Mann wohnte.
Von ferne sah ich, daß es ganz neu geworden; in diesem Augenblick entfalteten
sich die Bilder des Fleißes, der Sorgfalt und der häuslichen Tugenden dieses Mannes,
die seit vielen Jahren in meiner Seele lagen, auf einmal; ich sah auf einmal in meinem
Schuhmacher das Bild der obersten Weisheit des Lebens, nämlich, wie der Mensch auf
der armen Erde rechtmäßiger Weise von nichts zu etwas, von einem kleinen Haus zu
einem großen, von einer Katze zu drei Kühen, und von kummerhaften, sorgenvollen
Lagen zu einem beruhigten, behaglichen Zustand kommen kann, und ich fand auch hier
in meinem Schuhmacher alles in einem, das Oberste mit dem Niedersten verbunden;
weit von fern hörte ich das Jauchzen zufriedener Kinder und den Gesang der schaffenden