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in eine achteckige Nadel anslänft, welche den Kopf trägt. Von Zeit 
zu Zeit umkränzen ihn Giebel mit allerlei Bildwerk, Wappen und 
Verzierungen, während schlanke Pfeiler mit Blätterknäufen seine 
Ecken und die Räume zwischen den hochsteigenden Fenstern füllen. 
Je höher der Thurm steigt, um so mehr scheint er seinen Schwung 
zu beflügeln, da ans einem Giebelkranz stets ein neuer Schoß der 
Steinpflanze sich erhebt, Fensterbogen über Fensterbogen emporwachsen 
und an zwei Stellen ein Gürtel von Giebeln wie Knoten, am Halme 
gewissermaßen Ruhepunkte seines Fluges bilden. Von den 535 stei¬ 
nernen Stufen führen die ersten 250 zu jener Bank, von wo aus 
Stahremberg während der Belagerung Wiens 1683 das Türken¬ 
lager beobachtete, und die Wacht haltenden Jesuiten durch Raketen 
Nothzeichen gaben; weitere 285 bringen zur Galerie, dann 200 
hölzerne zur halben obern Pyramide und von hier auf Leitern im 
Innern der durchbrochenen Thurmspitze bis zur Rose empor, wo 
bei festlichen Gelegenheiten die Kaiserfahne geschwenkt wird. 
Betrachtet man den Thurm von oben, so erscheint er mit seinen 
durchbrochenen Wänden, Wappen, Figuren, ausgezackten Baldachinen, 
Zackenlinien, Giebeln, Spitz- und Rundbogen wie ein Spitzengewebe. 
Riesenhaft wie alle Verhältnisse des Thurmes sind auch seine Uhr 
und seine Glocken. Die Gewichte der Uhr haben jedes die Last 
eines Centners und der Pendel die Länge von 18 Fuß, der Stunden- 
zeiger 6 Fuß, die Ziffern 2 Fuß und das Uhrblatt ziemlich 12 " Fuß. 
Die große Glocke, welche 1711 aus den eroberten türkischen Kanonen 
gegossen wurde, wiegt 354 Centner, ihr Klöppel 13 Centner. 200 
Menschen schleiften sie bis an den Thurm, und sechzehn Personen 
sind nöthig, sie in Bewegung zu setzen, deren Klang man stunden¬ 
weit hört. Die Glocke des unvollendeten Neuthurms, die Pummerin, 
wiegt 20,800 Pfund und tönt mächtig von ihrer Höhe über die 
Stadt hin, um die Gläubigen zum Gotteshause zu rufen, in welches 
das Adlerthor unter ihr einführt, neben welchem noch das Bischofs¬ 
thor sich öffnet. 
Das steile Kirchdach ist mit glasirten bunten in Zickzacklinien 
gelegten Ziegeln gedeckt, die wunderbar im Sonnenschein schimmern. 
Um das ganze Dach zieht sich aber ein Gang mit einer Einfassung 
von durchbrochener Steinarbeit, welcher dem gestickten Rande eines 
Taschentuchs gleicht. 
82. Das bairische Hochland.* 
Steht mau auf der Theresienwiese bei München, am Fuße des 
Bavaria-Kolosses, übersättigt von allen Herrlichkeiten dieser wahr¬ 
haft königlichen Stadt und sieht, gewaltiger, als alle die Monumente, 
* Gartenlaube 1858.
	        
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