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Höhen nur 4000—5000 Fuß hoch über dem Meere, an der Somme
fortlaufend nur geringere Erhebungen, endlich in einem kurzen Strich
dem Meere näher nur Ebenen und Sümpfe. Dies ist die Halb¬
insel Frankreich, ein großes, schönes Land, reich an mannichfaltigen
Gittern, 10,000 Quadratmeilen groß, mit 40 Millionen Menschen.
Werfen wir einige Blicke aus den Charakter des Volkes. Am
auffallendsten und merkwürdigsten in dem französischen National¬
charakter ist das Gepräge, das ihm die Hauptstadt des Landes auf¬
gedrückt hat und fortwährend aufdrückt. Ganz Frankreich würde ein
anderes Frankreich sein, wenn für Paris irgend eine Stadt an der
Rhone, Loire oder unmittelbar am Ocean seine Hauptstadt geworden
wäre. Mit Paris sind alle Franzosen zu sehr in das gallische
Element eingetaucht und untergetaucht worden. Dieses Element mußte
auf die Eingewanderten auf jeden Fall den größten Einfluß haben,
aber sicher würde dieser Einfluß nicht so groß gewesen sein, wenn die
große Hauptstadt nicht recht in dem gallischen Kern gelegen hätte.
Es läßt sich ziemlich klar und genau nachweisen, wie die nachbarliche
normännische Würdigkeit und Abenteuerlichkeit, und die gallische Leicht¬
fertigkeit und Lustigkeit zusammen dem Ganzen die Gestalt gegeben
haben, die es jetzt hat. Von Paris aus, welches im Mittelalter ein
Herd war, an welchem schon damals Kunst und Wissenschaft sich
wärmte, ist alles Uebrige des Reichs mehr oder weniger gemacht
worden. Paris ist Frankreichs Hauptstadt wie keine andere Hauptstadt
irgend eines europäischen Landes, und weil sie durch das Glück, daß
ihre Sprache eine Weltsprache geworden, daß Alles, was Feinheit,
Schönheit, Anmuth und Bildung im Sinne der jüngsten Vergangenheit
suchte, daß wenigstens alles Freiherrliche und Fürstliche einige Jahre
nach Paris gehen mußte, um sich dort den Firniß feiner Sitten über¬
streichen zu lassen, die stolze Einbildung gefaßt hatte, sie sei wirklich
die Hauptstadt aller Bildung und Wissenschaft: so hat diese Einbil¬
dung das ganze französische Volk wie ein wahrer Zauber ergriffen,
und hält es immer noch fest, selbst nachdem die Fremden großentheils
von dem frühern Wahne erlöst sind. Paris ist darum auch ein Mit¬
telpunkt französischer Eitelkeit, welche allerdings berechtigt ist, sich
auf ihr Volk etwas einzubilden, aber leider diese Einbildung nicht
immer auf die edleren Eigenschaften legt. Denn auch die Herrschaft
der französischen Sprache ist nicht blos etwas Zufälliges, etwa allein
das Uebergewicht geworden, welches die Franzosen seit der Mitte
des siebzehnten Jahrhunderts über die andern europäischen Völker
bekamen: sondern die Leichtigkeit, Lebendigkeit, Witzigkeit des Volkes,
seine Klarheit und Feinheit, sein leicht greifender Verstand der
äußeren Dinge, und das Talent, alles Geschaute, Empfundene, Ge¬
dachte leicht und bequem in klarer, netter Sprache auszudrücken, die
gleich glatten Kieselir durch unaufhörlichen Gebrauch geschliffen, leicht
über die Zunge hinweggleitet und fortlispelt, der im Ganzen leichte,