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Weil immer an irgend einem Orte Wärme erzeugt wird, während andere
Orte kalt bleiben, so ist auch immer einige Bewegung in der Luft. Die Hef-
tigkeit dieser Bewegung wechselt aber beständig. Am ausfallendsten ist dieser
Wechsel bei uns. In manchen Gegenden der Erde sind jedoch die Winde von
einer großen Regelmäßigkeit. Die Kenntniß solcher regelmäßigen Winde ist für
den Schiffer von Wichtigkeit; sie kann ihm auf seinen Fahrten von großem
Nutzen sein. — Regelmäßig wehende Winde zeigen sich an den Küsten der Meere.
Bei Tage weht ein Wind vom Wasier nach dem Lande, weil dies durch die
Sonnenstrahlen schneller erwärmt wird. Nach Sonnenuntergang bleibt das
Wasser länger warm, und das Land erkaltet schneller. Deshalb weht in der
Nacht ein Wind nach dem Meere.
Auch wir im Binnenlande haben eine Art Regelmäßigkeit des Windes. Sie
besteht darin, daß bei uns Südwestwinde vorherrschen, die aber auch oft mit
Nordostwinden wechseln. Die meisten Regenwetter schlagen darum auch an die
Westseite der Gebäude an, und man nennt dieselbe daher oft die Wetterseite.
Ferner ist bemerkt worden, daß in Deutschland die Stämme solcher Bäume,
welche dem Winde ausgesetzt sind, eine schiefe, nordöstliche Richtung haben, so
daß man an ihnen die Himmelsgegenden recht gut erkennen kann.
Die Stärke des Windes hängt ab von seiner Geschwindigkeit, und diese
ist sehr verschieden, je nach dem Grade des Unterschiedes zwischen kalter und
warmer Luft. Je größer dieser Unterschied ist, mit desto größerer Gewalt wird
die kalte Luft in die warme eindringen. Ein sehr heftiger Wind wird rin
Sturm, ein heftiger Sturm Orkan genannt. Im Dezember und Januar sind
die Winde in unserem Erdtheil sehr heftig, weil in diesen Monaten der Unter¬
schied zwischen der Wärme Europas und der Wärme in der heißen Zone sehr
groß ist. Im August dagegen stellen sich außer Gewitterwinden nur gelinde
Luftströmungen ein.
Auch sonst hängt Richtung und Stärke des Windes mit dem Wechsel der
Jahreszeiten zusammen. Während des Frühlings herrschen gewöhnlich Nordost¬
oder Ostwinde, während deß Sommers und Herbstes West- oder Südwestwinde.
Merkwürdig sind die Stürme, die sich in den meisten Jahren zur Zeit der Tag«
und Nachtgleiche erheben. Sie gehen über ganze Länder und Erdtheile hinweg.
Im Frühjahr sind sie besonders wichtig, weil sie dem Schnee ein schnelles und
gänzliches Ende bereiten, nachdem die Sonne sich vielleicht schon lange vergeb¬
lich mit ihm abgemüht hat.
Betrachten wir noch den Einfluß des Windes auf die Witterung und auf
das Pflanzenleben. Die Ostwinde haben bei uns in der Regel Trockenheit zur
Folge, weil sie über die großen trocknen Festländer von Asien und Europa kom¬
men, also sehe geeignet sind, Feuchtigkeit aufzusaugen. Die Nordwinde sind
kalt; denn sie wehen von den kalten Meeren her. Die Südwinde endlich brin¬
gen gewöhnlich Regen. Indem die Luft über die warmen Meere des Südens
wegzog. wurde sie mit Wasserdünsten gefüllt und bringt dieselben zu uns.
Nützlich ist der Wind noch besonders für Verbreitung dsr Pflanzen. Viele
Samenkörner werden durch ihn in weite Ferne entführt und fallen oft in frucht¬
baren Boden nieder. So sind virle Pflanzen auf Dächern, Mauern und Thür-