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Italien und einen Strich Landes am linken Rhein-Ufer von dem mittelländi- 
schen Meere bis zur Nordsee (Lotharingen). 
So ist Deutschland ein eigenes Reich geworden. Aber auf dem Geschlechte 
Karls ruhete kein Segen; glorreich hatte es mit dem großen Kaiser begonnen; 
rühmlos und fast verachtet endete es 911, in welchem Jahre der letzte des 
Stammes, Ludwig das Kind, in's Grab sank. 
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19. Ludwigs des Frommen Tod. 
1. E3 kommt ein Schiff geschwommen 
herab den stolzen Rhein; 
die weissen Segel wallen 
im gold’nen Mittagsschein; 
umgeben von Getreuen, 
ruht drin, gebettet weich, 
der fromme Kaiser Ludwig, 
so krank und todesbleich., 
2. „Legt an, legt an, ihr Schiffer, 
bei dieser stillen Au’; 
da weh’n durch schatt’ge Bäume 
die Lüfte mild und lau; 
da rasseln keine Schwerter; - 
da tönt kein Schlachtgesang 
mir vom Verrath der Söhne 
mit fürchterlichem Klang. 
3. Und auf dem grünen Rasen, 
ihr Treuen spannt mein Zelt, 
auf dass in Frieden ruhe 
der Herrscher einer Welt. 
Schon rauscht des Rheines Welle 
ein sanftes Schlummerlied, 
und leichter wird sich Schliessen 
mein Auge, trüb’ und müd’.“ 
4. Es sprach’s der kranke Kaiser; 
da wird erfüllt sein Wort; 
man trägt ihn auf ein Lager 
am kleinen Inselport. 
Wie blass sind seine Wangen, 
wie todesmatt sein Blick! 
Er richtet ihn voll Trauer 
nach Ingelheim zurück. 
5. Und auf den Zinnen leuchtet 
der letzte Abendstrahl; 
die hundert Säulen schimmern 
am stolzen Kaisersaal. 
Da fühlt der fromme Ludwig, 
dass seine Stunde schlägt; 
er betet lang und leise 
und sagt, vom Schmerz bewegt: 
6. „Seht, wie der Glarvz der Säulen 
verschwunden ist in Nacht; — 
bald wird auch so vergehen 
der Karolinger Macht! — 
Sagt meinen fernen Söhnen, 
in Wehr und Waffen wild, 
dass sie dies Herz gebrochen, 
zu weich und vatermild. 
7. Doch will es gern vergeben; 
vergessen muss es bald 
der Erde Lust und Schmerzen, 
Hass, Liebe und Gewalt! 
Ihr Ritter, nehmt die Krone, 
umglänzt von nichtigern Schein! 
Lothar soll sin empfangen; 
er wird nun Kaiser sein. 
8. Und bringt ihm auch das Scepter, 
zu schwer oft meiner Hand; 
bringt ihm den Purpurmantel; 
mir g’nügt ein Sterb’gewand. 
Denn nun zum dritten Male 
vom stolzen Kaiserthron — 
doch ach! in’s Grab hernieder — 
steigt, grosser Karl, dein Sohn! 
9. Aus — aus!“ Sein Auge sinket, 
umhüllt von Todesnacht; 
er hat den Kampf bestanden; 
er hat den Sieg vollbracht. 
Doch um die Königsleiche 
knie’n, traurig und voll Schmerz, 
die Ritter zum Gebete 
für das gebrochene Herz. 
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