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46. Norwegen und Schweden.
Norwegen ist fast durch und durch Gebirgsland; das Tiefland nimmt nur
den sechsten Theil des Ganzen ein. Das Hochgebirge kommt zwar an Höhe
und Ausdehnung den Alpen nicht gleich, macht aber den Eindruck schauerlicher
Oede und Wildheit. Unabsehbare Eisfelder, welche die Wohnungen der Men-
scheu auf immer getrennt halten, lagern auf demselben. Einzelne, in ewigem
Winter starrende Bergkuppen ragen in unwandelbarer Pracht und Erhabenheit
empor, und die tiefste Einsamkeit umgiebt sie. — Daneben und an ihrem Fuße
dehnen sich in den Flußchälern frische Weiden aus. Neben den schäumenden
Wasserfällen wilder Bergströme breiten See'n ihren ruhigen Spiegel aus. Die
Senkungen der breiten, steinigen und öden Kammfläche des Gebirges bilden
die Wege, auf denen man dasiclbe übersteigt. Zerstreut und einsam wohnen
meistens die Menschen. Der nachbarlichen Hülfe und Unterstützung müflen sie
entbehren. Feste Schulen kann es nur da geben, wo die Bodenbeschaffenheit
den Kindern erlaubt, dieselben täglich zu erreichen. Wo dies unmöglich ist, be-
sorgen wandernde Schullehrer den Unterricht.
Der norwegische Bauer ist genöthigt, seine Wohnung, seine Kleidung und
seine Geräthschaften sich selbst zu verfertigen; denn die Entfernung von Städ¬
ten und der Mangel an Landstraßen hindert ihn, in der Stadt die erforderli¬
chen Einkäufe zu machen. Die Anlage von Landstraßen ist nicht möglich; schiff¬
bare Flüsse giebt es wenig. Die Gewäsier der kleinen Seitenflüsse tragen die
Baumstämme in die Hanptströme und an die Küsten; sie setzen die Maschinen
der Bergwerke, die Säge- und Kornmühlen in Bewegung. Im Winter kom¬
men die Bewohner mittelst der Schneeschuhe und Schlitten auf den großen
Eisbahnen schnell vorwärts. Die Bevölkerung Norwegens ist gering. Am dich¬
testen ist sie in der Gegend der Haistrtstadt Christiania, am dünnsten in Lapp¬
land. Je weiter man nach Norden kommt, desto spärlicher werden die Pflan¬
zen; man sieht am Ende nur noch Moose und einige Kräuter; von HauSthieren
findet man nur noch das Renuthier und den Hund, und immer seltener wer¬
den die Wohnungen der Menschen.
Die Küste Norwegens ist durch zahllose, tief eindringende Busen (Fiorde)
zerschnitten. Sie sind gewöhnlich die Ausgänge der von reißenden Bergströmen
bewäfferten Thäler an den Vorgebirgen. Klippen und Inseln schützen sie gegen
das offene Meer. An den Fiorden liegen Städte und Dörfer. Hier drängen
sich die Menschen zusammen, während die Bauern in den Thälern des inneren
Landes auf ihren Gehöften zerstreut leben. Die Ufer der Fiorde haben ein
Klima, das den Getreidebau noch gestattet. Schnee und Eis ist selten, desto
häufiger Regen und Nebel. Der Fischfang auf der See beschäftigt viele Men¬
schen. Wo der Ackerbau unmöglich wird, nähren sich die Bewohner von Vieh¬
zucht. Der Ackerbau ist schwierig; sorgfältig muß man das Klima und die
Beschaffenheit des Bodens berücksichtigen, wenn man auf einen Ertrag rechnen
will. Wo Weizen und Roggen fortkommen, bleibt oft Gerste und Hafer aus,
und Erbsen und Bohnen wachsen nicht da, wo Kartoffeln gedeihen. Gegenstände
der Ausfuhr sind Eisen, Mastbäume, Bretter, Balken, Theer, Pelzwerk, Eider¬