Full text: Lesebuch für staatsbürgerliche Bildung

Unser deutsches Vaterland. 
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ausschließlich unerlaubte Handlungen zum Gegenstände, letzteres neben ver¬ 
botenen Taten eine große Menge von erlaubten Handlungen, z. B. Kauf, 
Miete, Verdingung, Schenkung, sonstige Verträge aller Art, Testament, Verlöbnis, 
Eheschluß, Kindesannahme u. s. w. Dort wird die Auflehnung gegen die Rechts¬ 
ordnung durch Zufügung eines Übels beantwortet: dem Täter zur Vergeltung, 
allen zur Warnung. Hier wird dem einzelnen die Möglichkeit gewährt, seine 
Verhältnisse in jeder ihm passenden Weise durch Geschäfte aller Art zu regeln 
und von jedem, der sein Vermögen schädigt, Ersatz zu bekommen. Danach ist die 
eintretende Folge ganz verschieden, je nachdem ein Strafgesetz oder das bürger¬ 
liche Recht verletzt wird. 
Und diese Folge wird auch in dem einen Falle ganz anders festgestellt als 
in dem anderen. Ob jemand ein Verbrechen begangen hat, ob er zu bestrafen 
ist und auf welche Weise, wird im sogenannten Strafprozeß oder Straf¬ 
verfahren untersucht und festgestellt. Der Staat läßt in seinem Interesse aus 
eigenem Antriebe durch seine Beamten (Polizeiorgane, Staatsanwalt, Unter¬ 
suchungsrichter, Strafgericht) die Tat erforschen und aburteilen. Entsteht dagegen 
unter zwei Privaten ein Streit (z. B. um eine Summe Geldes, um die Grenze 
zweier Äcker, um die Scheidung einer Ehe), so wird dieser erledigt im sogenannten 
Zivilprozeß oder Zivilverfahren. Das heißt der angeblich Berechtigte klagt 
gegen den angeblich Verpflichteten, um zu seinem Rechte zu kommen. Der Staat 
gewährt also hier dem Privaten in dessen Interesse, auf dessen Begehren und 
Antrieb die Rechtshilfe gegen den anderen Privaten, indem er das Recht des 
einen gegen den anderen feststellt und nötigenfalls verwirklicht. So kann es 
kommen, daß wegen einer und derselben Handlung, z. B. Sachbeschädigung, zwei 
Prozesse entstehen: einmal ein Strafprozeß, der vom Staatsanwalt betrieben wird 
und zur Bestrafung führen kann, und daneben ein Zivilprozeß, der vom betroffenen 
Eigentümer gegen den Sachbeschädiger geführt wird und dem ersteren zum Schadens¬ 
ersatz verhilft. Der Strafprozeß ist geregelt in der Strafprozeßordnung, 
das Zivilverfahren in der Zivilprozeßordnung. 
Aber nicht nur die Prozesse sind verschieden sondern auch die Gerichte, 
vor denen sie sich abspielen. Das Strafverfahren findet statt vor den 
Strafgerichten, das Zivilverfahren vor den Zivilgerichten. So wird 
der Strafprozeß gegen den Sachbeschädiger vielleicht vor der Strafkammer des 
Landgerichtes (Strafgericht), der Emschädigungsprozeß dagegen vor dem Amts¬ 
gericht (Zivilgericht) betrieben. Der Geschäftskreis der Strafgerichte heißt Straf¬ 
gerichtsbarkeit, derjenige der Zivilgerichte heißt Zivilgerichtsbarkeit. Diese beiden 
Arten machen den wichtigsten und bei weitem größten Teil der Gerichte aus. Sie 
sind diejenigen, die in der Regel angerufen werden. 
Die ordentlichen Strafgerichte sind: der Amtsrichter, das 
Schöffengericht, die Strafkammer des Landgerichtes, das Schwur¬ 
gericht, das Reichsgericht. Die ordentlichen Zivilgerichte sind: das
	        
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