Volltext: Der deutsche Kinderfreund

84 Erzählungen 
her geschickt, um eine Beisteuer für die verarmten Ein¬ 
wohner der Stadt einzusammeln. Sie kamen unter 
andern frühmorgens auf den Hof eines wohlhabenden 
Bauers. Sie fanden ihm vor dem Stalle und hörten, 
als sie sich ihm näherten, wie er es dem Knechte eifrig 
verwies, daß er die Stricke, woran die Pferde ge¬ 
spanntgewesen waren, über Nacht im Regen, am Wa¬ 
gen gelassen, und nicht ins Trockene gebracht hatte. 
„O weh! der Manu ist genau!" sprach einer zum an¬ 
dern, „hier wird es nicht viel geben!" Wir wollen we¬ 
nigstens versuchen, sagte einer, und sie gingen nä¬ 
her. Der Herr empfing die Fremden sehr freundlich 
und indeß er mit ihnen in sein Haus ging, brachten sie 
ihr Begehren an. Wie groß war ihre Verwunderung, 
als er ihnen sehr bereitwillig ein ansehnliches Geschenk 
an Gelde gab, und noch versprach: er wolle alle Jahre 
am die Zeit eben so viel geben. Die Bürger konnten in 
ihrer dankbaren Rührung sich nicht enthalten, dem wohl¬ 
thätigen Manne zu gestehen, daß seine Mildthätigkeit 
ihnen ganz unerwartet sey, indem der Verweis, den er 
vorhin dem Knechte wegen einer so unbedeutenden Klei¬ 
nigkeit gegeben hätte, sie auf den Argwohn gebracht 
habe, daß er wohl sehr genau seyn müsse. 
„Lieben Freunde," war seine Antwort, „eben da¬ 
durch, daß ich das Meinige jederzeit zu Rathe hielt, 
„kam ich in den glücklichen Zustand, wohlthätig seyn zu 
„können." 
Schäme dich nicht der Sparsamkeit, und halte sie 
nicht für Grftz, nur des Geitzes mußt du dich schämen. 
Weigere dich nicht, wohlthätig zu seyn, indem du die 
Wohlthätigkeit fälschlich sür Verschwendung hältst. Aber 
sey auch am rechten Orte wohlthätig, und gehe 
darum bei deinem Wohlthun mit Vorsicht zu Werke» 
* t- - 
^ - ^44. -Der 
Äater Biedermann hatte vier Kinder; sie hießen: 
Karl, Bernhard, Lotte und Hannchen. Eines 
Tages sagte er zu ihnen: hört, Kinder, wer von euch 
' morgen früh um sechs Uhr aufsteht, ohne daß ich ihn
	        
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