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Dächer und tragen nicht selten ganze Gärten mit Blumen, Zitronen-
und Myrtenbäumen, ja oft große Weinlauben, deren Stämme von der
Erde heraufgewachsen sind. Vor der Stadt finden sich auch viele Herr-
liche Parkaulagen, in denen zwischen immergrünen Pflanzen und dnftigen
Blumen Marmorbilder sich erheben und Springbrunnen ihre Wasser-
strahlen emporwerfen.
Großartig und eigenartig ist das Leben, das sich auf Neapels
Hauptstraßen abspielt. Zwei selten unterbrochene Reihen hin- und her-
gehender Equipagen und Mietkutschen drängen die Fußgänger und einen
guten Teil der Pserde, Maultiere und Esel, die Früchte und Gemüse in
die Stadt bringen, rechts uud links an die Häuser. Hier finden sie
aber auch nicht viel Raum, denn nicht allein die Besucher der Kaffee¬
häuser, deren es in Neapel unzählige gibt, sitzen der frischen Luft wegen
weit in die Gasse hinein, sondern auch alle Arten von Handwerkern,
Schneider, Schuhmacher, Schlosser, Sattler, arbeiten nicht in, sondern
vor ihrem Hause und ziehen sich höchstens dann zurück, wenn die Glut
der Mittagssonne oder ein rauher Nordwind sie verscheucht. Auch Geld-
Wechsler und Verkäufer haben ihre Tische auf die Straße gestellt. Hier
werden Macearoui, die Leibspeise der Italiener, bereitet, dort röstet man
Kastanien. Hier kann man zur Linderung des Durstes Eiswasser oder
Limonade kaufen, dort erhält man in Öl gebackene Küchlein. Im
Schatten der Häuser, an den zu den Kirchen emporführenden Stufen,
an den Türen der Paläste und an den Ecksteinen liegen überall schlafende
Lazzaroni,*) das sind die ärmsten Leute Neapels. Ein zerlumptes
Hemd und eine schmutzige Hose ist ihre ganze Kleidung. Kopf, Brust
und Füße sind unbedeckt. Ihr Hunger ist leicht mit einem Stück Brot
und einer Zwiebel oder einigen Wassermelonen gestillt. Das Geld hierzu
erbetteln sie sich oder verdienen sie als Kesselflicker, Botenläufer, Last-
träger oder Knochen- und Lumpensammler. Diese Leute wohnen meist in
der Nähe des Hafens in den Nebenstraßen, die so eng uud schauerlich
sind, daß es uns am hellen Tage gruselt, hineinzugehen. Unappetitliche Reste
von Mahlzeiten, z. B. Orangen- und Kastanienschalen, bedecken hier den
Boden. Zerlumpte Wäsche ist an der Straßenseite der Hänser zum Trocknen
aufgehängt, und schmutzige Kinder wälzen sich halbnackt im Straßenstaube
herum oder spielen mit alten Kupfermünzen, Scherben und Apfelsinen¬
*) Denke an Lazarus! Der Name „Lazzaroni" wird in Italien in drei-
facher Beziehung gebraucht.
1. Man gebraucht ihn als Schimpfnamen. Er bezeichnet dann ungefähr
so viel wie das deutsche Schimpfwort: Lümmel.
2. Man bezeichnet damit halbnackte, obdachlose Bewohner der Groß-
städte.
3. Mau versteht darunter den bedürftigsten Teil der Bevölkerung, welcher
sich ohne regelmäßige Beschäftigung in den Straßen der (itadt her¬
umtreibt, um einem gelegentlichen Erwerb nachzugehen <Gelegenheits-
arbeiter). Diese „Gelegenheitsarbeiter" sind es, die der Verfasser bei
der vorliegenden Schilderung im Auge hatte.