Full text: Der deutsche Kinderfreund

40 I. Kurze Sätze zur Erweckung der Aufmerksamkeit 
schmecke die. Süßigkeit des Zuckers, die Säure des 
Essigs und die Bitterkeit der Mandel. 
Ich rieche mit Wohlgefallen den Duft der Rose, 
des Veilchens, der Hyacinthe und der Aurickel. Ich rie¬ 
che mit Mißfallen den Duft einiger Blumen, und em¬ 
pfinde den Übeln Geruch des frischen Mistes. 
Ich erinnere mich einer Geschichte, die ici) vor 
einiger Zeit gehört: eines Fremden, den ich einmal ge¬ 
sehen ; eines Schmerzes, der: ich einmal empfunden; eine- 
Vergnügens, das ich vor langer Zeit genossen; und des¬ 
sen, was ich gestern in der Schule gelernt habe. Ich 
kann mir vorstellen, wie ein Schiff aussieht; denn 
ich habe schon oft Schiffe gesehen. Ich kann mir vor¬ 
stellen - wie mein Vater, meine Mutter und mein Bru¬ 
der aussehen, ob ich sie gleich .jetzt nicht vor mir sehe. 
Ich kann mich an Alles ^ was ich gesehen, gehört, 
empfunden und gefühlt habe, deutlich erinnern, oder ich 
kann mir dies alles vorstellen, ohne dazu meinen Kopf, 
meine Hand, meinen Fuß, meine Augen, Ohren und 
Nase zu gebrauchen. Die Kräfte, mit welchen ich mir 
etwas vorstelle, mich an etwas erinnere, über etwas nach¬ 
sinne, etwas empfinde, oder etwas will, oder etwas ver¬ 
lange, sind keine Kräfte meines Leibes, sondern Kräfte 
meinerSeele, oder Seelenkräfte. Meine Seele 
ist in mir, aber ich kann sie nicht sehen, sondern ich 
kann nur an meinen Vorstellungen, Gedanken und Em¬ 
pfindungen merken, daß ich eine Seele habe. 
Hätte ich keine «Seele, so könnte ich nichts begreifen, 
nichts lernen, nichts verstehen: ich könnte weder rechnen, 
noch schreiben, noch lesen; denn indem ich lese, überrech¬ 
ne, muß ich zugleich denken, und denken kann ich nur 
mit meiner Seele. 
Mit meinerSeele d e n k e ich, indem ich rechne, 
an die Zahlen, welche ich zusammenzählen oder abzählen, 
theilen oder vervielfältigen soll. Mit meinerSeele denke 
ich an den Menschen, von welchem der Lehrer etwas er¬ 
zählt, oder von dem ich im Lesebuche etwas lese. Mit 
meiner Seele denke ich an das Spiel, welches ich spie¬ 
len will, wenn die Schulzeit zu Ende ist. Mit meiner 
Seele denke ich, indem ich plaudern will, an die Strafe, 
welche der Lehrer auf das Plaudern gesetzt har. 
Ich könnte nichts Verständiges sagen, wenn ich keine
	        
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