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„Herr, ewiger und allmächtiger Gott", sprach Columbus, „durch dein heiliges
„Wort hast du den Himmel und die Erde und das Meer erschaffen. Gepriesen sei
„dein Name, gelobet sei deine Herrlichkeit, welche hat dürfen erhoben werden durch
„deinen demüthigen Knecht, auf daß der heilige Name deiner Majestät erkannt und
„gepredigt werde an diesem äußersten Ende der Welt." Darauf stand er wieder auf,
zog sein Schwert, ließ die königliche Fahne wehen und nahm von der Insel im
Namen der Könige von Castilien Besitz.
Die Insel wurde von den Eingeborenen Gnanahani genannt; Columbus nannte
sie zum Andenken an die überstandenen Gefahren San Salvador, d. i. heiliger
Erlöser.
Mit dieser Insel war nun zwar das Land Ostindien nicht gefunden, das Co-
lnmbus eigentlich gesucht hatte, aber er hatte damit, ohne es zu wissen, eine noch
viel wichtigere Entdeckung gemacht; denn sein Fuß wandelte auf einer neuen Welt,
von deren Dasein damals in Europa wobl kein Mensch Etwas geahnt hatte. Von
da an wurden bald noch weitere und größere Inseln entdeckt, wie Cuba, Haiti
(auch Hispaniola genannt), Jamaica und endlich im Jahr 1497 das feste Land von
Nordamerika, 1498 das von Südamerika, und im Jahr 1513 der große Ocean (stille
Meer) westlich von der neuen Welt.
Columbus genoß übrigens für seine große Entdeckung und seine außerordentlichen
Anstrengungen wenig Dank; von seiner dritten Reise nach dem neuentdeckten Land
kam er sogar, wie ein Verbrecher in Fesseln geschlagen, zurück; ja selbst den Namen
erhielt der neue Welttheil nicht von ihm, sondern von einem gewissen Amerikus
Vespncius (^uieriZo Vesxueei), einem Seemann-aus Florenz, durch den derselbe
erst in einer Beschreibung den Gelehrten näher bekannt worden ist, so daß man
dieses neue Land das Land des Amerikus oder Emmerich, also Amerika oder
Emmerichsland nannte. — Columbus starb im Jahr 1506, und die Fesseln, welche
man ihm ungerechterweise angelegt hatte, wurden ihm seinem Willen gemäß in sein
Grab gelegt zu einem Zeugniß, daß Undank der Welt Lohn sti. Doch die Nachwelt
ist gerechter gegen ihn gewesen und hat ihn nach Verdienst unter die größten Männer
seiner Zeit gesetzt. Das allmähliche Aufblühen christlicher Staaten in der von ihm
entdeckten „neuen Welt" ist ein lebendiges Denkmal seines Ruhmes und zugleich
der göttlichen Weisheit, die sich auch in diesem Manne ein Werkzeug zur Offen¬
barung ihrer großen Werke auf Erden bereitet hat.
163. Das Ei des Columbus.
Bei einem Feste, welches der Cardinal Mendoza dem Columbus zu
Ehren veranstaltete, hielt er ihm eine große Lobrede wegen der von ihm ge¬
machten Entdeckung, welche er den größten Sieg nannte, den jemals der Geist
eines einzigen Mannes erfochten habe. Die anwesenden Herren vom Hof
nahmen es übel auf, daß einem Ausländer, noch dazu einem Mann, der nicht
einmal von adeliger Herkunft sei, so große Auszeichnung erwiesen wurde.
„Mich dünkt", hub einer der königlichen Kammerherren an, „der Weg nach
der sogenannten neuen Welt war nicht so .schwer zu finden, das Weltmeer stand
überall offen, und kein spanischer Seefahrer würde den Weg verfehlt haben."
Mit vornehmem Gelächter gab die Gesellschaft dieser Aeußerung ihren Beifall